Der Retro-Podcast. Popkultur und Persönliches von gestern, vorgestern und vorvorgestern.

094: Videotext für alle

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Zum Jahresausklang begibt sich die Rückspultaste traditionell ins analoge Rauschen, wo obskure und angenehm-unheimliche TV-Gegenden seit Jahrzehnten auf Durchreisende lauern. Diesmal mit Untertiteln auf Tafel 150, denn durch die vertikale Austastlücke im Röhrenfernseher geht der Sprung zurück zu einem fünfzig Jahre alten Bildschirmphänomen, das – kaum zu glauben – immer noch aktiv ist: Der Teletext, hierzulande bekannt als Videotext.

Was für heutige Ohren klingt wie vorsintflutliche und staubtrockene Zeichensatz-Technologie aus Omas TV-Gerät ist tatsächlich ein Sammelplatz für einige der spannendsten Geschichten der Medienhistorie: Wildwest-Experiment im technischen Schlupfloch – politischer Zankapfel im Machtkampf um die Zukunft von Rundfunk und Journalismus – Daten-Expreßzug, der immerfort im Kreis fährt und nie anhalten darf – Nebendarsteller in zahllosen Kindheits- und Jugendanekdoten – Proto-Internet – an die Wand gemalter Teufel von Weltverschwörung und Kulturpessimismus – Objekt der Begierde digitaler Geisterjäger und Archäologen.

All das und viel mehr auf 800 Seiten – von 100 bis 899 – mit je 40 Zeilen à 24 Zeichen.

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093: 1988

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095: Unser 1994, Teil VIII – 1. bis 15. April

  1. Tja der Teletext der BBC vor vielen Jahren bereits abgeschafft (außer 888 für die UT)

    Ich verbinde die Austastlücke am liebsten im Rückblick mit

    http://radiomp3.aven.de/videotext.htm

    War eine tolle Zeit mit r@dio.mp3, Megaradio.mp3 und Sexxcast.tv.

    Letztes war ein Hardcore Sender unter Eurosport Videotext, somit auch unter der ÖR Obhut, was zu schnellen Schließung der Lücke führte^^

  2. SarahCrusher

    Hallo Sebastian, Simon und Christian,

    der Videotext wird tatsächlich heutzutage bei uns hin und wieder gerne genutzt. So wie Christian berichtet hat. Vor allem meine Eltern, mein jüngerer Bruder der aber gerne viel,älter wäre, nutzen es täglich unsere 14 jährige Tochter hin und wieder auch, nur unser 11 jähriger Sohn findet es so lame. Es ist halt nicht so voll, klares Schriftbild, kurz und bündig und wenn Werbung dabei ist konnte man diese besser erkennen als auf manchen Internetseiten heute, wenn man mehr will gibt es ja nun google und co. Klar die neuen TV Geräte haben alle schon EPG aber irgendwie lockt, wenn mal lineares Fernsehen schaut, die Seiten 301-304 aufzurufen.

    Ich habe früher den Videotext so genutzt wie jetzt das Internet, manche Sender hab ich auch nur wegen dem Text angeschaut. 3sat zum Beispiel.
    Am liebsten hab ich jedoch Spartensender Teletext wie MTV, Viva, onyx.tv, giga.tv oder das Vierte. Viva und onyx.tv hatten interessante Foren wo Leute sich schon zu Handyzeiten darüber über Serien informiert und diskutiert haben. Es war schön zu lesen aber mitmachen konnte ich nicht weil ich zu der Zeit kein Handy hatte und die Möglichkeit per Post da was hinzuschreiben fand ich komisch und war ich dann doch nicht der Typ dafür. Über das onyx.tv (und dem Forum von Red, Blue und Susy) Teletext gibt es hier noch was zu lesen: http://dreiaeck.de/teletext_onyx.htm

    Wenn Wahlen waren fand ich es spannend die Ergebnisse der verschiedenen Wahlkreise zu vergleichen ohne eigentlich so recht die tatsächliche Tragweite zu verstehen.

    Mein Vater hatte seine freie Zeit genutzt um die Videotexte von ntv n24 und cnn durchzuzappen um dort die Börsenkurse anzuschauen die hatten bestimmt irgendwelche Diagramme.

    Videotext aufnehmen ja klar, ein VHS Aufnahmegerät mit separatem Kabel-oder Sat-Empfänger und Videotextfunktion daran kann ich mich auch erinnern sowas im Elternhaus gehabt zu haben. Damit hab ich viele Star Trek aufgenommen. Als ich mal vergaß eine VHS anzuschauen und Videotext schauen wollte fand ich es sehr seltsam was ich da zu sehen bekam.

    Schon lustig zu sehen welche TV Sender noch den Videotext haben und diese jetzt übers Internet aufrufbar sind. Leider ohne das Warten ob und wie die Seite aufgerufen wird. https://www.giga.de/artikel/teletext-online-videotext-im-browser-als-app/

    Viele Grüße ins digitale analoge Rauschen

  3. Dennis

    Hallo,
    ich bin zwar erst noch am Anfang der Episode, aber als Ihr gerade erwähnt habt, dass der Videotext ein „Oma-Medium“ war, fiel mir wieder ein, dass mein Opa es früher gerne genutzt hat, um die Flugzeiten am Flughafen Frankfurt zu checken.
    Man konnte nämlich die Ankunfts- und Abflugzeiten -zumindest von der Lufthansa- live verfolgen, ich meine das müsste auf den 400er-Tafeln gewesen sein.
    Ich kann mich noch gut erinnern, wenn ich Anfang der 90er das Wochenende bei meinen Großeltern verbracht habe und bspw meine Tante aus dem Urlaub zurück kam, durfte ich immer mit zum Flughafen.
    Mein Opa hat dann vor dem Losfahren an den Flughafen immer überprüft, ob Flugnummer xy auch pünktlich ist. Bzw Status ‚gelandet‘ war immer das Zeichen „jetzt können wir losfahren“.

    Und heutzutage machen wir genau das gleiche… nur mithilfe von Kollege Google.

    Diese Anekdote wollte ich kurz mit euch teilen. Jetzt aber schnell weiter hören…

    Vielen Dank für Eure Arbeit und ein frohes neues Jahr
    Dennis

  4. Christian

    Lieber Sebastian, lieber Simon,

    wieder einmal fand ich eure Folge zum Videotext großartig, nicht nur wegen des unbedingten Willens in die letzten Winkel des Rabbitholes reinzukriechen, sondern auch und gerade wegen der zahlreichen Abschweifungen und Scenic Routes die ihr wieder einmal genommen habt.

    Besonders interessant war für mich der letzte Teil eures Podcast, wo ihr euch medientheoretisch-historisch mit dem Videotext auseinandergesetzt habt. Ich bin seit letzten Sommer Vater einer Tochter, selbst Jahrgang ’83 und setze mich nun natürlich mit den möglichen Auswirkungen von Medien und Medienkonsum auf ihre Entwicklung auseinander.

    Es ist für mich eigentlich unbegreiflich, wie sich seit dem 19. Jahrhundert der reaktionär-normative Blick auf Medien (ihr nennt das sehr zutreffend Bewahrpädagogik) kaum verändert hat. Jedes neue Medium ist potentiell eine Bedrohung, es überreizt, verdummt, vereinsamt usw. – von täglich erscheinenden Zeitungen bis Tiktok ist es immer die gleiche Diskussion gewesen. Das aber solche Befürchtungen tatsächlich beim Videotext bestanden, den ich auch für ein Oma- und lediglich sehr basales Informationsmedium hielt, war mir in der Tat neu.

    Sehr interessant und diskussionswürdig fand ich Sebastians Standpunkt der zeitlosen, ubiquitär postulierten „Vereinsamungsgefahr“ durch neu auftauchende Medienkanäle das Teilhabepotential für introvertierte Menschen entgegenzusetzen. Ich finde, dass diese Sichtweise, auch im Hinblick auf gesellschaftliche Inklusion, viel zu wenig diskutiert wird und die zutiefst normative, konservative, verknöcherte deutsche Perspektive auf Medien, technischen Fortschritt und das Zusammenleben von Menschen offenbart.

    Introvertierte Menschen werden in unserer Gesellschaft in fast allen Kontexten ausgeblendet, ähnlich wie psychische Einschränkungen (das soll KEINE Zuordnung oder Gleichsetzung sein) oder bestimmte physische Beeinträchtigungen (sehr kleine oder sehr große Menschen außerhalb er Grenzen, die als Behinderung anerkannt werden, Adipositas etc.). Mit anderen Worten: Menschen werden nicht in ihren neurophysiologischen Spektren, sondern nur als normiertes Wesen in festgelegten körperlichen und geistigen Grenzen akzeptiert. Beispiele gibt es reichlich: Betriebsfeiern müssen immer geil gefunden werden, wer nicht gerne teilnehmen möchte, wird schief angesehen. Klassentreffen ganz ähnlich, Familienzusammenkünfte (Weihnachten, o graus) ebenfalls. Wir haben hier noch einen weiten Weg als Gesellschaft zurückzulegen.

    Denn wer introvertiert ist, wer an Phobien leidet oder depressiv erkrankt ist, dessen einzig oft verbliebener Weg zur Teilhabe an gesellschaftlichen Ereignissen oder menschlichem Zusammenleben wird so immer wieder aufs Neue von medienpädogischen Meinungsführern stigmatisiert. Geunke hat hier immer Vorrang vor dem Erlangen von Medienkompetenz. Diese, das ist der eigentliche Skandal, hätte schon seit den 1920er Jahren Schulfach sein müssen – das hätte einigen Publikationen des Hugenberg-Konzerns und seines Nachfolgers Springer sicherlich einen großen Teil der gläubigen Leserschaft entzogen. Stattdessen hatten wir in den 1990ern nach wie vor Lehrer:innen, die Fernsehen und Kino für Teufelszeug hielten, Videokasetten falschrum einlegten und die Computermaus wie Scotty anno ’86 für ein Mikrofon hielten.

    Über diese Diskussion hinaus bin ich auch der Auffassung, dass die immer wiederkehrenden medienpädagogischen Stereotypen einen wesentlichen Beitrag zum Verfall der politischen Kultur in Deutschland mehr beigetragen haben als jeder gebrandmarkte VHS-„Schundfilm“, jeder Privatfernsehsender, jede Videotextseite, jede Nachmittagstalkshow und jedes TikTok-Reel:

    Wie ihr in der Publikation des Bremer Arbeitskreises sehr eindrücklich ausgegraben habt, gab es die gleiche Staatsfunk-Schwurbel-Plutokratie-Sch****diskussion, die wir heute haben und die der AfD fantastische Zuwächse beschert, bereits 1983. Die dort freilich weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit schreibenden Geistesgrößen dürften ihren Marsch durch die Institutionen mittlerweile weitgehend abgeschlossen haben – mit vermutlich verheerenden Folgen. Es wäre sicherlich interessant, wenn auch eher im akademischen Umfeld, hier Parallelstrukturen und Kontinuitäten aufzuzeigen.

    Genuin deutsch werden fast nie die Chancen neuer Medien und Technologien betont, es geht immer um die Risiken. Diese natürliche Abwehrhaltung dient, hypothetisch, wohl auch der Zementierung gesellschaftlicher Machtstrukturen: Medienkonsum und Medieninteraktion ist, gerade heute, zu einem sehr viel geringeren Maß von Einkommen und Vermögen abhängig als sehr viele andere Optionen gesellschaftlicher Teilhabe. Wer einmal das Geld für ein gebrauchtes Smartphone aufbringt, ist dabei und kann sich ein eigenes Bild machen. Diese Angst kann man auch in den Kommentaren der späten 70er, frühen 80er spüren – was wird nur passieren, wenn uns Medienpädagogen hier aufgrund der Niedrigschwelligkeit des Videotextzugangs (potentiell 899 Tafeln plus Unterseiten, huiuiui) die ganze Deutungshoheit und Relevanz verlorengeht?

    So dreht die medienpolitische Diskussion, nicht untypisch für politische Diskussionen in Deutschland, schnell von einem wohlmeinenden pädagodischen Ermahnen zu einer tief klassistisch veranlagten Reproduktion von Stereotypen über „die einfachen Menschen“ – eben jenen Schafen, die in dem 1983er Pamphlet aus Eurem Podcast dem Fernsehwolf folgen. Wer arm ist, muss auch doof und manipulierbar sein und wird sich aufgrund seiner Schlichtheit immer für die vermeintlich pädagogisch unwertvolle, manipulative Option entscheiden. Schönes Menschenbild auch, kann man da nur sagen.

    Verheerend ist aus meiner Perspektive zusätzlich, dass der in der Medienpädagogik entstandene Klassismusansatz mittlerweile diesen Diskurs längst verlassen hat. Menschen, die sich beispielweise bei allem Bewusstsein über die Folgen des Klimawandels aus finanziellen Gründen oder aufgrund ihres Wohnorts nicht allzu enthusiastisch an der Verkehrs- oder Heizwende beteiligen können, werden medial inzwischen oft stigmatisiert. Kaum jemand fährt aber aus Überzeugung einen Verbrenner und heizt mit Gas, jedoch genauso wenig Menschen können sich speziell Familien, die neuen, klimafreundlichen Technologien ad hoc leisten. Ein Blick in Star Trek erweitert auch hier den Horizont: Wer bei der Erfindung und Produktion von Warptriebwerken den spitzen Bleistift zückt und immer nur von den Risiken redet, verpasst alle wunderbaren Chancen und Entdeckungen vom Gorn bis zum Deltaquadranten. Wir verfahren eher nach der Maxime, dass wenn der Föderationskanzler über ein Haushaltsloch stolpert der galaktische Fortschritt eben Sendepause hat – wie unendlich absurd.

    Uff. Wo ihr schon passenderweise vom Stream of Consciousness in Eurer Folge gesprochen habt – das hier war meiner. Wirklich toll, was Ihr mit einem Podcast über ein 50 Jahre altes Medium die grauen Zellen im Feiertagskoma auf Trab bringen könnt. Dickes Lob und weiter so, viel Erfolg in 2024 und in meinem Spotifyrückblick 2023 wart ihr dreifach ganz oben mit dabei.

    Alles Liebe,
    Christian

  5. Stadtkind80796

    Hallo liebes Rückspultastenteam,

    Vielen Dank für den tollen Einblick in (für mich) längst vergangene Zeiten.

    Ich möchte dem Nischenthema noch eine weitere Nische hinzufügen – natürlich auch bei meiner Oma erlebt.

    Ich bin in Hessen aufgewachsen und dort gab es Ende der 80er Jahre mittags und nachmittags im hessischen Fernsehen Videotext für alle. Im normalen Fernsehen wurden für 10 Minuten zwischen einigen Sendungen die wichtigsten Videotexttafeln ausgestrahlt. Untermalt von schmissiger Bigband Musik á la James Last 😉

    So bin ich mit Videotext aufgewachsen. Noch langsamer bis die gewünschte Seite kam.

    Liebe Grüße
    Moritz

    • Sebastian

      Hallo Moritz,

      danke für Deinen Beitrag – oh ja, diese Videotext-Ausstrahlung übers „normale“ Fernsehsignal haben wir ganz vergessen!
      Dabei haben wir sogar die Sendung danach benannt, denn auf der ARD hieß das Videotext für alle.

      Schöne Restwoche Dir & danke für Dein Gehör,
      Sebastian

  6. SarahCrusher

    Hallo Sebastian und hallo Moritz (Stadtkind80796),

    ja klar da sprecht ihr was an. Die Teletexttafeln wurden behaupte ich in allen öffentlich Rechtlichen Sendern mal als „TV Sendung“ ausgestrahlt.

    Meistens Nachts, da kam als Hintergrundmusik beim SWR das Programm vom SWR 3 oder die ARD Radio Nacht aber bin ich mir nicht mehr ganz so sicher.
    Auf 3sat wurden meine ich die Videotext Auswahl mit denen vom ORF und SRF ausgestrahlt, dazwischen oder danach wurde das Alpenpanorama mit den Livecams aus Urlaubsorten der D-A-CH Region gezeigt. Bei der Teletextsendung kam irgendwelche Klassische Musik vielleicht vom Deutschlandfunk übernommen aber auch da bin ich mir nicht ganz so sicher – ich hätte es damals aufnehmen sollen. Aber woher sollte ich ahnen, dass dies so eine Nische in der Nische ist, dachte alles im TV ist mehrfach gesichert auf verschiedenen Ebenen.

    Heute wird die Haupttexttafel von ORF 2 im frei empfangbaren ORF 2 Europe, immer wenn die ausgestrahlten Sendungen keine Rechte fürs europäische Ausland hat, gezeigt. Da läuft dann das Programm von Radio Ö1 im Hintergrund.

    Der ORF hat irgendwann mal auch angefangen die Teletext-Inhalte, nicht im typischen Teletext-Design, sondern einem grafisch einer Zeitschrift ähnlichen Tafeln auszustrahlen. Mit klassischer Musik. Ob sie das noch machen weiß ich leider nicht.

    Viele Grüße

  7. Lou

    Hallo,

    ich nutze den Videotext auch heute noch sehr gerne und mein Vater im Schnitt sicherlich 30 Minuten täglich. Ob sich dafür die 1,7 Mio. Euro p.a. lohnen, weiß ich nicht, aber eure Einschätzung, dass das Medium quasi tot ist, kann ich überhaupt nicht teilen. Ich schätze ihn jedenfalls als sehr entspannte Art der Informationsvermittlung.

  8. Hallo,

    vielen Dank für die schöne Folge! Einige kleine Anmerkungen hätte ich aber schon noch:

    Daten-J wird kurz erwähnt, damit war BTX gemeint: Datex-P war das professionelle Netzwerk für Firmenkunden (P = Parketvermittelt). Das war alles vor dem Internet, vor TC/IP usw.
    Die Post hat dann BTX als „Datex-J“ vermarktet bzw. umbenannt. Das J stand da für „Jedermann“, gemeint war „Datex-P für Jedermann“. Damit sollte BTX irgendwie professioneller klingen – und sich vielleicht namentlich auch von Videotext mehr abheben.

    Der Apple Newton war aus meiner (sehr subjektiven) Sicht ein tolles Gerät, halt nur zu teuer, zu schwer – und vielleicht 10 Jahre zu früh. Die Akkulaufzeit war auch gering, der wirkliche Nutzen im täglichen Gebraucht… naja, ging so. Ich besitze einige Newstons, siehe https://www.computermeister.de/apple-newton/ – aus historischer Sicht ein sehr interessantes Gerät.

    Wir sehen uns am 7.4.2024 in Frankfurt – ich freue mich schon sehr drauf

  9. Grischa

    Moin moin

    Ihr habt Euch in der Sendung gefragt, wozu ein Videotextdecoder im Videorekorder nützlich sein sollte.
    Ich fand den ultra nützlich, denn zumindest ich hatte ewig keinen eigenen Fernseher im „Kinderzimmer“. Der gute alte 1084-Monitor vom Amiga gab aber mit einem separaten TV-Tuner einen super brauchbaren Fernseherersatz ab.
    Zunächst hatte ich nur einen ganz tollen Tuner mit 12 mechanisch wählbaren und per je einem Einstellpoti belegbaren Programmtasten. Mit den ersten Schülerjobs sparte ich mir aber einen Panasonic-VHS-Rekorder zusammen, der den alten Tuner ersetzte. Videotext wäre darin geil gewesen (aus den im Podcast ausführlich genannten Gründen), weil ja auch dieses Gerät wieder „nur“ den dummen 1084 bespielt hat. Doch für Stereoton UND Videotext hätte ich noch etwas mehr hinlegen müssen und so hatte ich dann ewig keinen eigenen Videotextzugriff.

    Im Prinzip war so ein rechts unten Videorekorder ja nichts anderes als heutige Multimediazuspieler für den großen Flatscreen. Auch heute wäre es schlauer, wäre der große Bildschirm an der Wand einfach nur ein dummer Bildschirm und alles Zuspiel und alle Gimmicks kämen nur von einem kleinen, separaten Computerkästchen.

    Die Videorekorder-1084-Kombi hat mir jedenfalls bis weit in die 90er hinein auch in meiner Studentenbude noch als Fernsehlösung gute Dienste geleistet (der Tonausgang vom Rekorder hing natürlich an der Stereoanlage).

    Ich habe den 1084-Monitor ganz kurz vor der Jahrtausendwende dann nur deswegen entsorgt und mit einem super billigen Röhren-TV (mit Bildschirmtext, hurra) ersetzt, weil es über all die Jahre immer schwieriger bis unmöglich geworden war, den ranzigen SCART-Stecker hinten drin so exakt hinzufummeln und zu fixieren, dass auch alle Farben noch durchkamen.

    Just my 2 pence….

    Ansonsten ein fettes Dankeschön für viele viele schöne Podcaststunden mit Euch. 🙂

    Grischa

  10. Mister Incredible

    Moin zusammen,

    Videotext habe ich bis vor Kurzem immer noch genutzt, zu Haus, wenn ich durcbzappte und bei einem Film hängen blieb. Heute mach ich das in Hotels gelegentlich noch. Die Frage „was läuft denn da?“ kann die „Austastlücke“ immer noch bestens beantworten. Ein typisch deutsches Technobabbel, wie auch „Fortgeltungsfiktion“. Hat nix damit zu tun, aber die beamtentumähnliche Begriffsfindung im Deutschen finde ich schon genial. Kürzlich suchte ich im Baumarkt das „runde Ding mit der Scheibe, die man in die Bohrmaschine spannt um ein Loch in die Holzplatte zu schneiden.“ Ich lernte den Fachterminus „Mehrkanzlochsäge“. Tadaaa!

    Videotext nutzte ich nur für recht Profanes. Was läuft wann? Wenn wegen Livesendung sich was verzögerte, konnte man oft eine Abschätzung sehen, wenn der Spätfilm endlich beginnen sollte, oder die letzte Ausgabe der Tagesschau. Flughafen. Wetter. Aktuelle Nachrichten bei einer interessanten und dynamischen „Situation“ vielleicht. Das war es auch.

    BTX hatte ich, mit 386er, glaube ich und grünem Monitor. MS DOS, das waren Zeiten, und passte das erste Windows nicht auf 11 Disketten zu je 1,44 MB? Bei BTX gab es „Eden“, ein Chat- und Datingportal. Das lebte mangels Bildinhalten auch nur von der Phantasie und dem hormonellen Ausnahmezustand seiner Nutzer. Und sauteuer war es. Was hab ich für ein Geld verchattet, und alles über die Telekomrechnung. Ob es mit „Tiktok“ & Co. alles besser wurde, naja, mag ich angesichts schwindender Kommunikationskompetenz im direkten zwischenmenschlichen Umgang nicht mit „ja“ beantworten.

    Zum Morsecode der alten Tagesschau-Wetterkarte, wenn die Windrose kreiselte: es ist das Kürzel „QAM“. Steht für „what is the latest available meteorological observation for …(place)?“ Eine schlichte Wetterabfrage, die von Flugzeugen an Bodenstationen gefunkt wurde. Die Kürzel waren Teil einer beliebigen Tabelle mit Codes, die nur dazu dienten, Standardkommunikation per Morsecode schneller und effizienter zu machen, ohne dass die Kürzel selbst schlüssige Abkürzungen für reale Begriffe wären.
    QAU = where may I jettison fuel?
    (Wo kann ich Treibstoff ablassen?)
    QAK = is there any risk of collision?
    (Gibt es eine Kollisionsgefahr?)
    Cheerio!

  11. HSN72

    Mitte der 80er Jahre konnte ich in Hürth (Köln) den BFBS empfangen. Das war der Soldatensender für Armeeangehörige. Er hatte Videotext.

    Ich war der einzige in der Stadt, der vor dem Frühstück die neuesten Nachrichten bekam. Die Zeitungen waren von gestern und Frühstückssender gab es nicht. Die Nachrichten im Fernsehen kamen erst spät.

    In der Schule konnte ich damit immer punkten.

  12. stef baura s

    Hallo alle,
    bin etwas late too the party, um mal einen Anglizismus zu benutzen (höhö).

    Lese hier erstaunt, wer noch alles Videotext benutz. Sehr spannend.

    Ich fand den schon immer eher nervig, weil langsam, habe ihn regelmäßig nur genutzt, um das Wetter in Frankfurt zu eruieren, in der Zeit bevor es Smartphones mit Wetterapps gab.
    Ich habe damals im 80 km von meiner Heimat entfernten Frankfurt gearbeitet und da war das Wetter schon gerne mal unterschiedlich zu zuhause.

    Sonst hab ich höchstens mal Sportergebnisse nachgeschaut, Änderungen von Fernsehübertragungen und abundan mal Flugauskunft. Sehr selten Nachrichtenübersicht.

    Ich wüsste heute noch nicht mal, ob an meinem Fernseher Videotext noch funktioniert, da ich MagentaTV über Smart-TV-App schaue.

    Grüße an alle
    Stefanie

  13. SarahCrusher

    Hallo an alle,
    der Video-/Teletext ist der Holzmichel der TV Landschaft, er lebt noch- stirbt nicht und jetzt auch in der OTT-Plattform Welt

    https://www.digitalfernsehen.de/news/empfang/iptv/videotext-waipu-tv-als-erste-ott-plattform-teletext-iptv-1113254/

  14. Christian Berger

    Schöner Podcast, hat mir sehr gut gefallen.

    Laut ARD hat alleine der ARD-Text ca 10 Millionen tägliche Nutzer, es wird also doch noch ziemlich gut genutzt.

    Das mit dem Videotext im Videorekorder hatte einen relativ einfachen Grund. Man machte damit Videotext Programming. Damit konnte man quasi so wie heute im EPG, die Sendung anwählen, und damit automatisch Timer setzen.

    Wir haben ja 1987 den ersten Fernseher mit Teletext bekommen, so ungefähr zu der Zeit als ich lesen lernte. Spannend war für mich primär der Teletext des ORFs der damals so richtigen Nerd-Seiten hatte. Da gab es dann Techniknews, oder auch Kurse zu spannenden Themen der EDV… auf einem für heute ungewohnt hohem Niveau. Ich kann mich noch an einen PC-Assemblerkurs erinnern über den ich, schon Jahre bevor ich Zugang zu einen Computer hatte, lesen konnte, wie ein PC funktioniert. Oder auch ein 8032-Assemblerkurs für die damals dominante Bastelmicrocontrollerarchitektur. Die hatten auch einen Teletextkurs im Teletext.

    Inzwischen lese ich Teletext eher selten. Meine letzte Nutzung war aber gestern um zu erfahren, warum der Niederländische Titel ausfiel. Auf der entsprechenden Seite stand das dann knapp ohne Ausschweife, aber ausführlicher als man das vernünftig im Kommentar unterbringen hätte können.

    Inzwischen sammle ich Teletextseiten aus dem laufenden Programm und lade die automatisiert auf archive.org hoch. Das basiert auf den heutigen digitalen DVB-Daten die ich vom Satelliten hole. Das ist übrigens ein anderes Verfahren als die Leute die das von VHS-Bändern holen. Dafür hab ich auf dem Balkon einen Rechner mit (zur Zeit) 6 DVB-S2 Tunern stehen, welche die Satellitentransponder einem nach dem anderen auswerten. Das geht übrigens heute nicht schneller als damals, da man immer noch nur so viele Zeilen pro Bild überträgt wie in eine Austastlücke passen. Man hat sogar die genaue Struktur behalten um verlustfrei zwischen analog und digital umwandeln zu können.

    Ich hab auch schon Vorträge über die Technik hinter Teletext gemacht.
    https://media.ccc.de/v/fire-shonks-2022-49077-die-technik-hinter-teletext
    https://media.ccc.de/v/retronetcall-20230705-casandro-teletext
    https://www.youtube.com/watch?v=ITQkgM9AihE

    Ein paar Sachen habt ihr übrigens technisch falsch erklärt:
    In einer Bildzeile des Videosignales wird nur eine Zeile Teletext codiert. Man kann bis zu 25 Zeilen für Teletext verwenden, dann schafft man eine Seite Teletext pro Videobild, aber normalerweise hat das mehrere Videobilder gebraucht bis das fertig aufgebaut war.

    Die Hauptseiten gehen von 1xx bis 8xx, aber die beiden anderen Ziffern waren Hexadezimal, die gingen von 00-FF, wobei FF reserviert war für „Fülldaten“. Die konnte man auf einem normalen Fernsehgerät nicht direkt anwählen, aber über die Verlinkungen über FLOF erreichen. Das war eines der beiden Verfahren, welches die „bunten Tasten“ der Fernbedienung nutzte. Damit konnte man für jede Seite 2 zusätzliche Zeilen übertragen. Die eine wird (meistens unten) angezeigt um als Legende zu dienen, die andere ermöglicht es, für rot, gelb, grün, cyan und Index Links auf andere Seiten zu legen, die dann auch Hexadezimal sein konnten.
    TOP (Table of Pages) nutzt auch die bunten Tasten, überträgt aber auf einer definierten Hexadezimalseite eine Tabelle über alle Seiten sowie semantische Infos mit der der Dekoder einen Baum über den Inhalt des Textes bekommt. Damit konnten dann auch Dekoder automatisch die Seiten für das Fernsehprogramm finden.

    Das mit den Magazinen war übrigens außerhalb des deutschsprachigen Bereich zum Teil anders. In Großbritannien war jedes Magazin technisch abgeschlossen. Es wäre technisch sogar möglich gewesen, bestimmte Zeilen der Austastlücke für bestimmte Magazine zu verwenden. Wenn man da die Seite 234 aufruft, sieht man immer nur die 2xx-er Seiten durchlaufen. Das hat ein paar Vorteile. Man kann zum Beispiel mehrere Teletextsysteme nebeneinander aufbauen, denn 100 Kilobytes für 100 Seiten waren in den 1970ern teuer. Oder man hätte ein Magazin an eine andere Organisation vermieten können, oder ein Regionalprogramm machen können, bei dem einige Magazine zentral kommen, und einige lokal eingespeist wurden.

    Das mit den Unterseiten bis 100 ist auch so nicht richtig. Das Feld für die Unterseiten ist, wie so viele, Hexadezimal… aber man hat Bits für andere Zwecke verwendet, so dass die höchste Hexzahl 3f7f war. Das war dafür gedacht, dass man eine Art „Wecker“ machen konnte. Man wählte die gewünschte Uhrzeit als Unterseitennummer, z.Bsp. 1337 für 13:37 und um 13:37 wurde diese Seite ausgestrahlt. Währen der Wartezeit hat der Decoder das normale Fernsehbild durchgelassen.

    Es gab übrigens in den 1990ern einige Versuche mit „verschlüsselten Videotext“. Man hat da auf den hexadezimalen Seitenzahlen dann Inhalte angezeigt für die man einen speziellen Dekoder brauchte. Damit konnte man dann auch schon mal bessere Graphiken machen usw.

    Es gab übrigens in den Kabelprojekten zumindest in Regensburg auch so eine Art Fernsehzeitung. Ich hab das einmal bei Bekannten gesehen die Kabelfernsehen hatten. Das war technisch ein ganz normaler Fernsehkanal, der Standbilder im Hintergrund zeigte, und darüber Text legte.

    Ich hätte übrigens ein paar Seiten aus dem internen Bildschirmtextprogramm der Firma SEL (Standard Elektrik Lorenz). Das war da so eine Art internes „schwarzes Brett“. Die Seiten sind auch leicht beschädigt.

    Der Rumänische Teletext von TVR hat übrigens auch heute noch Seiten mit Rufnummern die Leute brauchen könnten.

    Ich finde ja, dass beispielsweise die Springerpresse schön zeigt, dass Moderation und redaktionelle Auswahl nicht reichen um zu verhindert, dass ein Diskurs z.Bsp. nach rechts abdriftet. Was man da eher bräuchte wäre das kritische Hinterfragen in Kombination mit solcher Moderation, denn wir haben ja publizistische Organe die ideologische Kampagnen fahren, ohne das diese eingeordnet werden.

    Naja, das mit den Videos in den 1970ern war im linkeren Bereich der Gesellschaft schon auch eine Ausdrucksform die verwendet wurde. Das war ja quasi die Möglichkeit „eigenes Fernsehen“ zu machen. Verbreitet wurde das über „Info-Läden“ wo man dann die Bänder anschauen konnte, oder selber Bänder produzieren konnte. Da gab es schon eine Welt vor der Kommerzialisierung des Mediums Video.

    Übrigens die Austastlücke wurde in Heimrecordern eigentlich meistens mit aufgezeichent, aber die Bandbreite des Rekorders reicht halt nur gerade so aus um irgendwas auslesen zu können.

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