Der Retro-Podcast. Popkultur und Persönliches von gestern, vorgestern und vorvorgestern.

096: Die Gretchenfrage

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„Nun sag‘, wie hast du’s mit der Religion? Du bist ein herzlich guter Mann, allein ich glaub‘, du hältst nicht viel davon“, so fragt Goethes Gretchen im Garten.

Doch anders als Dr. Faust weicht die Rückspultaste in ihrer Antwort nicht aus und präsentiert stattdessen diese Folge, die eine der drei „Schwierigen“ ist, die wir vor uns her schieben. (Und ja, die Sexfolge kommt auch noch.)

Egal ob Kommunion, Konfirmation oder auch gar nichts dergleichen in der Kindheit und Jugend vorkamen – all das einfach auszulassen, das widerspräche dem biographischen Anspruch der Taste.

Doch unser Anspruch ist auch einer der Ausgewogenheit, des Nicht-Missionierens, deswegen berichten mit Jan & Tobias zwei „Aktive“ und mit Simon & Sebastian zwei, die mit dem Glauben nichts (mehr) anfangen können.

Und ohne in Clickbait-Gefilde vordringen zu wollen: Gerade bei Sebastians Geschichte, die er so noch nie und jetzt euch allen erzählt, gehen anekdotischer Spaß und bedauernder Cringe Hand in Hand.

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095: Unser 1994, Teil VIII – 1. bis 15. April

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097: WWF

  1. Bina Stoxy

    Puh was eine Folge. Hut ab . Es war eine sehr interessante Folge. Schon interessant wie Religion bzw. Glauben das Leben beeinflussen kann. Hab ich mir so nie Gedanken drum gemacht. Und ich bin total irritiert das es bei euch so viele Freikirchen gibt. Hier ist das super exotische und auch die normalen Kirchen verschwinden hier so pö a pö. Also dickes Lob. So genug Bauch gepinselt. 🙃
    Zu mir selbst und was Glauben angeht. Ein Thema das mich irgendwie sehr ratlos macht.
    Ich bin eher in einer Familie aufgewachsen die es eher so gemacht hat wie Sebastians. Trotzdem wurde von mir verlangt zum Konfirmandenunterricht zu gehen. Auf meiner eigenen Konfiguration hat ich dann erstmal direkt nach der Kirche diese Klamotten ausgezogen und bin mit meinem Bruder und meinen Cousins Bolzen gegangen. Das hat etwas Ärger gegeben aber was soll’s. Seit dem war ich so gut wie nicht mehr in einer Kirche. Außer aus Architektur Interesse. Meine Kinder sind nicht getauft. Und mein großer hat tatsächlich in Klasse 2 beschlossen er möchte nicht mehr am Religionsunterricht teilnehmen. Mit der Aussage ich kann mir diesen Blödsinn nicht mehr anhören. Die jüngere macht da zwar noch mit, haben eindeutig aber auch den besseren Unterricht, hat aber auch schon gesagt das sie das an der weiterführenden Schule nicht mehr möchte.
    Sowohl das nicht taufen als auch das mit dem Unterricht ist in meiner Familie auf Unverständnis gestoßen, was ich nicht verstehe. Fast keiner hat dort was mit der Kirche am Hut und die die es haben haben es eher verstanden als die die nicht.

    Mein Fazit zu Religion und Glauben. Bitte jedem das seine. Nur bitte keine ungefragten Diskussionen darüber. Ähnlich wie Politik geht das unter bestimmten Leuten wenig gut.

    Und noch ein kleines Ps.: mich hat die Story von Sebastian wenig erstaunt. Wer von Anfang an hier zugehört hat konnte sich da über die Jahre schon viel zusammenreimen. Klar die genauen Umstände nicht aber zumindest in welche Richtung es ging.

    Danke für diese Folge. Und ich freu mich auf alles was noch kommt. Egal ob 1994, schräge Geschichten aus dem Analogenrauschen, Promis aus dem Sack, Popkultur oder eher nicht so leichte Themen.

    Lg vom anderen Ende von NRW

  2. Homeofficer Superkris

    Wow. Das war eine intensive und nachdenklich machende Folge.

    Sebastians Werdegang beantwortet einige Fragen, die ich im Hinterkopf hatte. Als Hörer eures Gesamtwerks hat man da das ein oder andere aufgeschnappt.
    Ich habe absoluten Respekt davor, wie reflektiert du das wiedergeben kannst. Das macht dich nur noch sympathischer und festigt meinen Eindruck von dir. Ich schätze mal, dass es die anderen Hörer ebenso empfinden. Insofern brauchst du sicherlich keine Sorge haben, dass man dein Ansehen dadurch leidet. 🙂

    Ich bin selber erst seit kurzem relativ sicher, was meine Einstellung zur Religion ist. Es schwingt aber tatsächlich immer ein bisschen Restzweifel mit. Meine Familie ist und war nie streng katholisch, aber sehr in der Gemeinde engagiert, da kommt man nicht um die Kirche rum. Kommunion und Firmung waren schon fast selbstverständlich. Ich hab auch nach der Kommunion mit dem Gedanken gespielt Messdiener zu werden, aus ähnlichen Gründen wie Sebastian, bin aber stattdessen in die örtliche Volkstanzgruppe eingetreten. Nicht die dollste Entscheidung… war auch nur kurz. Nach der Firmung war es für mich dann aber auch eher vorbei mit Gottesdiensten und dem ganzen aktiven Teil. Tatsächlich ausgetreten bin ich aber erst vor einem Jahr. Da war immer dieses schlechte Gewissen, was ihr auch angesprochen habt, als Grundrauschen. Das war meine unspektakuläre Kirchengeschichte.
    Wenn ich nun drüber nachdenke möchte ich nun fast sagen: This is my church! Eure Podcasts, TAD, Rückspultaste, Zauberlaterne. Jede Woche Content. Die Daueraufträge existieren ja schon(das mit dem Zehnten muss ich mir mal überlegen… Wäre das für jeden Podcast oder insgesamt?)

    Danke an euch für diese wundervolle Folge! Ich finde das Spektrum der Rückspultaste immer wieder gigantisch.

    Grüße vom Exil-Sauerländer
    Kristian

  3. Franz

    Wenn man unser Tun und Lassen auf den Kern herunterbricht, landet man vermutlich fast immer beim Drang, geliebt/anerkannt werden zu wollen und Zusammenhalt zu spüren.
    Sekten, Nazis, Narzist:innen, Schneeballsysteme und Co. spielen ja nicht umsonst damit.
    Sich darin verlieren zu wollen find ich nachvollziehbar und schlüssig.
    Es freut mich, wenn Leute ihren Weg raus finden können und eine nicht-(auto)destruktive Art finden, sich ihre Anerkennung zu holen.

    Als Ex-Katholik kann ich Sebastians Gruselgefühl bezüglich Erstkommunionsbekleidung teilen.

    Und ich habe Simon nun als langhaarigen, gospelartig zappelnden Heilsprediger auf einer Bühne vor Augen, wie er die Massen motiviert und alle zustimmend Amen rufen, wenn er die Arme hebt. Marionetten. (Er natürlich feixend und nur in seiner Rolle als Heel.)

  4. Stefan

    Danke für diese tolle Folge. Ich habe Tatsache ähnliche Erfahrungen gemacht, wie berichtet wird (interessanterweise von allen vier Gesprächspartnern).
    Ich war auch lange Zeit in einer Freikirche, die aber liberal war, als andere., obwohl die Bibel wörtlich genommen wurde. Aber es wurde nie jemand zu etwas gezwungen.. Jeder war willkommen, mit jeglicher Welteinstellung. Wer das Theologische nicht wollte, kam halt später. Rausgeschmissen wurde Niemand.

    Ich brauchte zu der Zeit, als Teenager, bei den typischen Fragen, etwas was mir die Richtung zeigte und die Gemeinde hat mir das gegeben. Vor allen die Jugendgruppe und später der CVJM. Unsere Veranstaltungen waren immer am Wochenende und nach dem typischen Programm war es ein Jugendtreff, das bis tief in die Nacht ging. Dadurch hatte ich Kontakt zu vielen Jugendlichen und man hatte einen weiten Freundeskreis mit dem man viel erlebt hat. Auch meine Frau habe ich dadurch kennengelernt, allerdings nicht durch Jungscharvermittlung ;-).

    ich bin auch in Kontakt zu extremeren Gruppen gekommen, die mich auch immer abgeschreckt haben, ich aber die Faszination verstand. Sobald es zu extrem wurde, hat das in mir immer sehr unangenehme Gefühle ausgelöst.

    Auf dem Christival 96 in Dresden war ich auch und ich habe auch mal die Jesus Freaks besucht und war auf dem Freakstock.

    Ich kenne die vielen Verbote bezüglich Film, Musik und natürlich Sex. Auch dieses Gefühl, dass der eigene Glaube nicht reicht, wurde mir von dritter Seite versucht einzubleuen. Diese Heilungsgeschichten waren mir auch immer suspekt und ich bin froh, dass sowas immer sehr kritisch in unserer freikirchlichen Gemeinde gesehen wurde. Die Geldmaschine dahinter habe ich auch erst sehr viel später gesehen

    Auch ich habe Theologie auf Lehramt studiert, was meinen Glauben veränderte. Ich brauchte nicht mehr das Extreme, kann mit Widersprüchen im Glauben und in der Bibel leben.
    Ich nehme die Bibel schon lange nicht mehr wörtlich und habe dadurch viel mehr Freude an dem Buch, weil es die Geschichten erweitert, sowie das nachdenken darüber.

    Ich bin dadurch viel offener und freier in meinen Glauben geworden, kann den Glauben kritisch hinterfragen, genieße die geschichtlichen Hintergründe bei der Entstehung der Schriften und kann anderen Ihren Glauben oder auch Unglauben lassen . Glaube an etwas darf nichts festes sein. Er muss sich verändern, und erweitern aufgrund von Erfahrungen was nichts negatives ist . Dogmatisches ist aus meiner Sicht immer schlecht.

    Ich möchte auch nicht mehr zu einer freien Gemeinde.
    Mein Glaube an einen Gott ist noch da, aber er ist viel individueller und ich durchdenke meinen Glauben auch mehr und kann ihn viel besser mit meinen anderen, den Naturwissenschaftlichen Gedankengang, zusammenbringen.

    Zum Thema Musik: Ich gehe gern in den kirchlichen Gottesdienst und habe inzwischen Freude an der altertümlichen Musik. Die modernen Lobpreislieder sind nichts für mich, da ich inzwischen das Schema und die Marketingmasche dahinter sehe.

    Viel Text, für einen Dank den an euch vier richten möchte für diese tolle Folge und der knapp 4 Stündigen Auseinandersetzung mit dem Thema, was mich dabei über meinen eigen „Glaubensweg“ hat nachdenken lassen.

  5. SarahCrusher

    Tausend Dank, für die Ausgewogenheit und Offenheit. Ich hab doch einiges ähnliches bei allen vieren entdeckt.

    Bei mir ist es trotzdem durch Eltern komplett verschiedener Konfessionen (Vater Sikh und Mutter Katholikin) alles irgendwie viel schwieriger und anders. Weil ich nicht als Säugling getauft wurde hab ich die Erstkommunion und Firmung nur, etwas neidisch, als Zaungast miterlebt. Mir ist im Reli-Unterricht vieles scheinbar wichtiger geworden als diejenigen die mitgemachen konnten.

    Für mich persönlich ist es trotz mancher Situationen im Leben die mich verzweifelt haben lassen letztendlich doch dazu gekommen am Glauben festzuhalten.

    In der Schule damals als eh schon schüchternes introvertiertes Mädchen gemobbt zu werden und sich einsam zu fühlen, nirgends so recht anzukommen, ohne den Kirchgang mit meiner Mama, dort von jemanden gehört zu bekommen, es gibt jemanden der einen annimmt wie man halt ist und Gebete zu ihm, die Aussicht dass es vielleicht doch besser werden könnte, ist für mich immer wieder eine gute Erinnerung. Und ich wäre nicht an dem Punkt meines Lebens an dem ich jetzt bin, beten hat mir viel Trauer, Wut und Verzweiflung abgenommen. Mit Bauchweh in die Schule zu gehen, ging zwar nicht weg aber wurde erträglicher.

    Dabei hab ich für mich aber ziemlich früh gelernt, Glaube und Religionsgemeinschaften selbst diejenigen die meines Glauben begründen zu trennen. Mich für verschiedene Glaubensgemeinschaften zu interessieren und privat für mich zu informieren soweit es halt damals ohne Internet ging.
    Wahrscheinlich begründet durch die konfessionellen Unterschied meiner Eltern.

    Lustiger weise hat genau das mich an Star Trek angezogen die Figuren die zwischen den Welten leben und sich irgendwie entscheiden sollten. Besonders Spock, Deanna, Worf, Dax und B’Elanna,

    Jetzt ist es aber doch viel geworden, mehr vielleicht anderweitig.

    Nochmals vielen herzlichen Dank für eure Aufrichtigkeit darüber zu sprechen.

  6. Roger

    Hallo zusammen

    Grossen Respekt für diese Folge, die Offenheit aller Beteiligten und eure Gedankengänge, Diskussionen und Aussagen. Ich bin beeindruckt.

    Ich bin katholisch aufgewachsen, aber auch meine Familie hat dies nicht konsequent oder überaus streng gelebt. So gab es etwa keinen wöchentlichen Kirchenbesuch, nur zu speziellen Anlässen. Aber es gab bei uns am Freitag nie Fleisch, sondern stets Fisch(stäbchen) oder Früchtekuchen („Wähen“) zum Mittagessen. Das haben meine Eltern solange durchgezogen, bis ich etwa zwölf Jahre alt war. Danach ist das irgendwie untergegangen und niemand hat mehr darüber gesprochen … Aber ich weiss aus jener Zeit noch genau, dass meine Mutter im ersten Moment wütend war, als es einmal bei einer Schulfreundin an Aschermittwoch am Geburtstagsfest Schnitzel gab und ich ihr am Abend erzähle, dass ich eines gegessen hatte 🙂

    Die Pfarrei, in welcher ich aufwuchs (und auch heute noch lebe) war eher liberal aufgestellt. Ich partizipierte sowohl in der dazu gehörenden Pfadfindergruppe wie auch im Kinder- bzw. Jugendchor. Etwa anderthalb Jahre war ich auch Messdiener (bei uns „Ministrant“, aber das hab ich relativ schnell wieder aufgegeben. Sowohl im Chor wie auch in der Pfadfindergruppe spielte das Religiöse eher keine grosse Rolle bzw. wurde sehr offen ausgelegt. Unser Chorleiter setzet schon Anfang der 90er Jahre Schlagzeug und E-Gitarre in der Kirche ein, was noch längst nicht in allen Pfarreien möglich gewesen wäre. Klar, wir begleiteten Gottesdienste und kirchliche Feiern, aber weltliche Literatur und Konzerte mit Musical- oder Popsongs waren natürlich die wahren Higlights für uns.
    Aber letztlich alles unter dem Mantel der Kirche. Bei den Pfadfindern gab es zwar durchaus spirituelle Momente und Aktivitäten, insbesondere in den Sommerlagern, aber der Gottesbezug war nicht gegeben.

    Zur Erstkommunion: Anders als bei euch trugen Mädchen und Jungs dieselbe einheitliche „Tracht“, nämlich ein weisses Messegewand mit einer Kordel. Die Mädchen hatten ein Kränzchen aus Blumen im Haar zu tragen (ja, war ein Muss! Heute darf es glaub ich weggelassen werden).

    Firmung hatten wir – als letzter Jahrgang – noch in der 6. Klasse. Wie bei der Erstkommunion stellte sich hier die Frage nicht, ob man teilnimmt, da war man einfach dabei… ok, man wurde pro forma gefragt, ob man dies möchte aber war eigentlich noch zu jung für einen selbständigen Entscheid. Darum wurde das Firmalter später auf 18 Jahre erhöht.

    Es waren auch bei mir die sozialen Erlebnisse (Pfadfinder, Chor), welche mein Wirken innerhalb der Kirche ausmachen. Dabei ist die Kirche aber eigentlich nur „Mittel zum Zweck“ bzw. man könnte sich diese Zugehörigkeit auch in weltlichen Gruppen oder Vereinen holen. Ansonsten brauche ich persönlich die Religion nicht wirklich.

    Ich schwanke immer wieder, ob ich aus der Kirche austreten soll oder nicht, da ich nicht an den religiösen Hintergrund – letztlich an Gott – glaube. Die Tatsache, dass ich beim oben erwähnten Jugendchor heute noch im Leitungsteam bin und an verschiedenen Anlässen mithelfe, hindert mich bis heute daran. Ich fände das irgendwie inkonsequent von mir. Aber später einmal? Wer weiss…

    Ich freue mich auf die noch folgenden Rückspultasten. Bleibt gesund und fit!

    Beste Grüsse aus der Schweiz

    Roger

  7. Nagus Zek

    Ich vergebe eine virtuelle Bauchpinselung für die kluge und sensible Bearbeitung dieses Themas, lieber Sebastian! Freikirchliche Gemeinden gab es auch in der DDR, daran denke ich heute mit sehr gemischten Gefühlen zurück. Als Jugendlicher war ich dort sehr aktiv und von dem bibeltreuen Glaubenskonzept voll überzeugt. Ich wusste gar nicht, dass die Wurzeln dieser Gemeinden in der amerikanischen Hippie-Bewegung zu suchen sind – irgendwie ist das ja ironisch, so konservativ, wie es in diesen Kreisen zugeht. Ähnlich wie Simon habe ich frühzeitig die Kurve gekriegt und bin durch eigenes kritisches Denken zu ganz konträren Ansichten gelangt. Ich erinnere mich noch gut an das mulmige Gefühl, als ich eines abends mit dem Gedanken schlafen ging: „Ab morgen glaube ich nicht mehr an Gott.“ So war es dann auch und es ist nichts schlimmes passiert, außer dass ich mich sehr erleichtert fühlte und auch ein bisschen stolz war, den Schritt gegangen zu sein.
    Eure Rückspultastenfolge bekommt von mir einen DeKelly, weil mich vieles, das ich gehört habe, an meine persönliche Weltsichtsreise erinnert hat.

    Vielen Dank für das offenherzige Hörstück!

  8. stef baura s

    Hallo Sebastian,

    vielen Dank an alle 4 für diesen sehr gelungenen Podcast!

    In einer der relativ frühen Folgen hat Jan (?) mal den Podcast „Hossa Talk“ erwähnt, den ich dann anfing zu hören.
    Durch diesen hab ich dann über Jahre hinweg eine Reise durch meine Religionsvergangenheit gemacht. Am Ende dieser Reise bin ich dann gelandet bei „ich bin Atheist und das schon immer!“. Aus der Art, wie die beiden Hossa-Talker über ihren Glauben sprachen, hab ich erst richtig verstanden, dass ich noch nie geglaubt habe und letztlich nur ein „Opfer“ meiner Erziehung war.

    Ich komme aus gut-katholischem Haushalt, wo Teile der weiteren Familie auch in Gemeinde aktiv sind/waren, aber niemand war missionarisch oder überreligiös.

    Selbstverständlich ging ich zu Kommunion und Firmung. Die „Freiwilligkeit“ der Firmung war keine, das machte man halt. Und Kommunion war damals (70er) ein Riesenfest, und da gab es sogar Geld von Nachbarn und so, das war damals üblich. Man hat das auch in der Zeitung inseriert.

    Ich musste sonn- und feiertags in die Kirche gehen, habe das auch bis kurz vorm 18. Geburtstag auch gemacht, war ja brav. Freiwillig wäre ich da jedoch nicht hin. (der 1. Mai war der schönste Feiertag, da musste man nicht in die Kirche…)
    Retrospektiv betrachtet war das Ganze für mich lediglich Ritual, das befolgt werden muss, der Gottesdienst wie ein Theaterstück mit Mitmach-Sequenzen. Religiosität hat mich nie erfasst.

    Meine Kindheits-Urlaube habe ich ausschließlich mit der Katholischen Jungen Gemeinde gemacht, für Urlaub mit Eltern war kein Geld da. Nichts hätte mich jedoch bewogen, mich zuhause der KJG in welcher Form auch immer anzuschließen.

    Das Thema Religion ist trotzdem ein spannendes, allerdings nur geschichtlich und aktuell gesellschaftlich. Ich höre z.B. den BibelPodast „unter Pfarrerstöchtern“ von der Zeit, und habe da festgestellt, wie wenig ich über das Alte Testament weiß, das ist sehr spannend zu hören.

    Hossa Talk war auch interessant, um etwas über Freikirchen zu lernen, was mich ehrlich gesagt, in Teilen doch entsetzt hat, weil ich nicht gedacht hätte, dass in Deutschland so strenge Gemeinschaften existieren.

    Angesichts der Verzahnungen zwischen konservativer Politik und „radikal-religiösen Kirchen“, die inzwischen in immer mehr westlichen Staaten auftreten, um mit aller Macht das Patriachart weiter am Laufen zu halten, entwickle ich derzeit eine Art Angst vor Religion, die ich früher jedenfalls nicht hatte.

    liebe Grüße
    Stefanie

  9. Julia

    Lieber Sebastian,

    vielen Dank für diese Folge und für deinen Podcast insgesamt. Ich höre schon einige Jahre Rückspultaste und habe noch nie kommentiert, aber nun finde ich, es ist an der Zeit.
    Dein Zitat von Roger Ebert hat mich sehr bewegt. Und ich möchte Dir sagen: Ja, du machst anderer Leute mit deinem Podcast glücklicher. Vielen Dank dafür.

    Deine Art (und die deiner Mitstreiter) ist etwas ganz besonderes – in der Folge über die Berufswahl hast Du dich als „Leisetreter“ bezeichnet. Den Begriff hab ich noch nie gehört, aber das trifft es sehr gut und ich würde mich auch dazu zählen. Und einfach, weil ich diese Art der Unterhaltung sehr schätze, habe ich in viele Folgen reingehört, deren Inhalt mich auf den ersten Blick abgeschreckt hätte. Ich habe sogar TNG komplett geguckt, obwohl ich das um 94 rum, als mein Bruder es auf Sat1 schaute, total bescheuert fand (ich war da halt auch erst 8/ 9. 🙂 )

    Die Folge über Religion fand ich auch sehr spannend, obwohl ich ein sehr angespanntes Verhältnis zur Religion habe. Die Familie väterlicherseits ist streng katholisch, meine Mutter ist evangelisch und war, als sie meinen Vater kennenlernte bereits Mutter und geschieden. Das war ein Skandal und die dadurch entstehenden „Zerwürfnisse“ haben mein Leben sehr geprägt. Nach seinem Auszug zuhause, hat sich mein Vater – soweit ich das beurteilen kann – von der Religion komplett abgewendet. Ich wurde mäßig evangelisch erzogen, bin getauft, wurde ansonsten zuhause mit dem Thema Religion aber nicht weiter behelligt. Wenn ich dann aber zu meiner Großmutter kam, wurde es doch sehr komisch beäugt, dass ich vor den Mahlzeiten nicht reflexhaft betete (und dieser Umstand wurde meiner Mutter angekreidet). Ich habe mich ganz furchtbar gefühlt dabei. Dieses Gefühl „wie Du bist ist nicht in Ordnung“ und dieses zum Beten gezwungen zu sein.

    Ich hab dann aber schon die Konfirmation mitgemacht. Nicht weil ich musste, sondern weil ich dachte, die Großeltern wären sonst enttäuscht. Außerdem waren die Geldgeschenke schon verlockend. Ich hatte anders als ihr niemanden in meiner Peer Group, der ernsthaft geglaubt hat. Ich glaube, alle aus meiner Konfigruppe waren da, weil man es eben macht und wegen des Geldes. Da hat wahrscheinlich keiner das Glaubensbekenntnis aus vollem Herzen aufgesagt.

    Nachdem ich gehört hab, welche schönen Erlebnisse ihr mit Jungschar und Kirchenfreizeiten verbindet, wurde ich ein bisschen neidisch. Sowas hatte ich nie. In der Jungschar fühlte ich mich genauso wenig willkommen wie anderswo. Und die Konfifreizeit war zwischenmenschlich richtig schlimm. Naja.

    Mittlerweile bin ich aus der Kirche ausgetreten. Steuern sparen und so. Außerdem arbeite ich in keinem Beruf, wo es nachteilig ist, dass ich ausgetreten bin. Dem System Kirche stehe ich immer kritischer gegenüber. Da herrscht soviel Machtmissbrauch.

    Ob ich Atheist bin, ist schwer zu sagen. Ich glaube auf jeden Fall nicht an den christlichen Gott und an die Schöpfung, sondern eher an die Wissenschaft. Aber das es da irgendetwas „Höheres“, eine „Gute Energie“ oder so gibt, das will ich nicht ausschließen, bzw. das würde ich mir sogar wünschen.

    Viele liebe Grüße!
    Julia

  10. Timme

    Vielen Dank für diese tolle Folge.

    Und Hallo an Alle.

    Zunächst mein religiöser Werdegang
    – evangelisch getauft
    – während der Grundschulzeit immer Sonntags in der „Christenlehre“
    – Konfirmation wurde dann aber aus Kostengründen ausgelassen
    – während der Berufsausbildung kam es dann zum Austritt aus der Kirche, da sowohl die Kirchensteuer als auch die Kirchengeldaufforderungen mich zum Überdenken des Systems Kirche / Glaube gebracht haben

    Bereits während meiner Jugend haben schon Geschichtsunterricht, Religionsunterricht mit den verschiedenen Glaubensrichtungen aber auch Star Trek mir gezeigt, dass es sowohl andere / verschiedene Ansichten als auch viele Nachteile der Religion gibt:

    Wenn es einen Gott gibt, wie kann er dann das Leiden in der Welt dulden
    Niemandem wird eine Bürde auferlegt, die er nicht tragen kann
    Was Sagen wohl die Opfer von Krieg oder oder aber Machtmissbrauch in der Kirche zu solchen Sätzen?!

    Ein für mich weiterer Wichtiger Punkt der Religion ist aber auch der Umgang mit dem Leben nach dem Tod
    -Sei es nun Himmel und Hölle (und auch hier wieder solche Negativbeispiele wie Ablasshandel)
    -Paradies, Nirwana
    -Reinkarnation

    Auch hierzu kamen während der Jugendzeit zwei Punkte auf mich zu
    Zum Einen der Physikunterricht mit dem Energieerhaltungssatz und auch wieder Star Trek (bzw die Idee dahinter) das auch andere Formen der Existenz möglich sind – oder sein könnten

    Und 2009 hat es James Cameron in „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ für mich sehr gut getroffen „Alle Energie ist nur geborgt“

    Aber ich verstehe auch jeder der im Glauben Trotz und Unterstützung findet.

    In diesem Sinne:

    Live long an prosper

  11. KhlavKhalash

    Danke an Euch für diese spannende Folge. Der erste Teil war für mich schwer, da ich als Atheist und religionskritischer Mensch sehr wenig mit Kirche anfangen kann. Auch ich habe die Konfirmation aus finanziellen Gründen noch mitgenommen und dabei gemerkt, was das für mich für ein Mummenschanz ist. Aber trotzdem ist es ja immer gut, sich andere Meinungen und Erfahrungen anzuhören.
    Respekt an Dich, Sebastian, dass du dich getraut hast, das so rauszuhauen. Das trauen sich die meisten nicht und stellen sich lieber als viel doller dar, als sie sind. Du bist toll, weil du so bist, wie du bist! Schön, dass du zusammen mit Simon deine (wenn auch nicht-religiöse) Berufung gefunden hast, denn was ihr podcastmäßig abliefert, ist immer wieder eine Wonne! Vielen Dank an Euch! 🙂

  12. Irinicorn

    Ich sitze ja oft da, während ich Deine/Eure verschiedenen Podcasts höre, schreibe aber nix dazu. Heute ist es mir jedoch wichtig, einfach mal wieder „Danke“ zu sagen. Danke für den Mut zu Eurem Glauben oder auch Nichtglauben zu stehen.
    Ich habe selbst einen ähnlichen Glaubenslebenslauf hinter mir. Ich hielt mich für einen schlechten Menschen, weil ich das, was ich da Sonntags hörte, einfach nicht glauben konnte. Dabei hatte ich es echt versucht. Aber es funktionierte nicht. Ich bin dann sogar auf eine katholische Mädchenschule gegangen, weil ich es für meine letzte Chance hielt, um am Ende doch noch irgendwie ins Paradies zu gelangen. Und es hat lange gedauert, bis ich verstanden habe, dass das vielleicht einfach nicht mein Weg ist.
    Das alles hat dazu geführt, dass ich meinen Sohn eben nicht habe taufen lassen, wofür er mir sehr dankbar ist, und er sich auch bereits intensiv mit seinem Glauben auseinandergesetzt hat und für sich einen eigenen Weg gefunden hat.
    Beim Tadizismus bin ich glatt dabei 🙂 haltet mich einfach auf dem Laufenden wohin ich überweisen muss *lach*
    Bleibt so, wie ihr seid und macht bitte einfach weiter so. Ich brauch Euch ganz oft wirklich dringend, mal zum einschlafen und mal für ein besseres Gefühl. Das könnt ihr nämlich auch!

  13. Fred

    Auf jemanden, der viel mehr die negativen Seiten christlicher Institutionen und deren Einfluss auf unsere Gesellschaft erfahren hat, wirken solche Darstellungen wie bei euch hier teilweise bizarr. Das soll kein Vorwurf sein, ich fand es interessant zu hören. Auch toll das du, Sebastian, so offen bist.

    Das Konzept dieses Podcasts, dieser totale Subjektivismus ist einerseits eine große Stärke und ich würde nicht erwarten oder verlangen das ihr daran etwas ändert. Auf der anderen Seite scheint es mir an seine Grenzen zu stoßen, wenn es um gesellschaftliche, „relevante“ Dinge geht. Denn mir wird z.B. bei diesem Thema diese „both Sides“-Sicht dem Thema nicht gerecht. Zu schädlich empfinde ich den Einfluss irrationaler Glaubenssysteme im allgemeinen und der christlichen Kirchen, um das so stehen lassen zu können. Eure Sichtweisen sind aus euren Biographien heraus alle nachvollziehbar und ich möchte niemanden persönlich angreifen, aber das wir als Gesellschaft noch nicht weiter sind, ist traurig und noch weit in die Zukunft hinein ein Problem. Glauben soll natürlich jeder was er möchte und es soll auch niemand für seinen Glauben diskriminiert werden, aber hier war es ja Jahrhunderte eher anders herum und auch heute sind die Kirchen immer noch viel zu einflussreiche Machtstrukturen, die wir loswerden müssen.

    Vielleicht habe ich es überhört, aber wurde im ersten Teil der Sendung eigentlich mal gefragt ob die Gäste überhaupt an Gott und die Geschichten in der Bibel glauben? Aber darum geht es wohl kaum. Viel mehr um soziale Eingebundenheit, einen Platz in der Gesellschaft und um Einfluss. Das wir dafür und für andere soziale Aufgaben der Religion immer noch so viel Platz (und Geld) einräumen ist, aus meiner Sicht, ein Armutszeugnis.

    • Sebastian

      Hey Fred,

      natürlich ist diese Sendung mit 2×2 Menschen, die ihre persönliche Geschichte berichten, in der Vielfalt der Einblicke begrenzt. Wenn Du schreibst: „Das Konzept dieses Podcasts, dieser totale Subjektivismus […] scheint […] mir an seine Grenzen zu stoßen, wenn es um gesellschaftliche, ‚relevante‘ Dinge geht.“ Dann kann ich nur antworten: Natürlich. Keine unserer Sendungen – sei es zu ALF, sei es zu Religion – ist das ultimative Wort zum jeweiligen Thema. Wenn wir das auch nur einen Moment lang denken würden, wäre das Größenwahn. Was wir stets bieten ist Oral History, in der Regel begrenzt auf zwei bis fünf Stimmen. Einblicke, die sich zu einem kleinen Denkangebot aggregieren sollen. Größere gesellschaftliche Verantwortung über diese Privatveranstaltung hinaus trage ich keine und würde sie auch niemals übernehmen.

      Den Rest Deines Beitrags verstehe ich so – und bitte korrigiere mich, wenn ich falsch liege – dass Du Dir gewünscht hättest, wir hätten ausschließlich die areligiöse Haltung eingenommen. Auch akzeptiert, das entspricht ja auch eher meiner Gesinnung. Nur: Durch einen solchen Fokus wäre diese Sendung ja nicht weniger subjektiv geraten, sondern noch noch subjektiver als ohnehin schon. Also eine Verschärfung dessen, was Du anfangs als das eigentliche Problem bezeichnest. Da bleibe ich irgendwie an einem Logik-Bug hängen.

      Ich selbst kann diesen Podcast nur nach Grundprinzipien produzieren, von denen ich selbst überzeugt bin. Eines davon ist die Binsenweisheit: „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu.“ Ich selbst möchte nicht belabert werden. Ich möchte nicht pro-Glaube missioniert werden, ich möchte nicht von Atheisten missioniert werden, ich möchte keinen Mobilfunkvertrag aufgeschwatzt bekommen. Wie also kann ich diesen Anti-Aufschwatz-Gedanken, was jegliche Richtung angeht, als Podcast verpacken? Die einzige Idee, die ich dazu hatte, war der hiermit versendete Versuch einer Parität. Auch diese Idee ist nicht perfekt, genau wie jede unserer Sendungen nicht perfekt ist, das auch nie sein will.

      Die Lösung sehe ich im Pluralismus – es müssten also sehr viele Podcasts das Thema aufgreifen und jeweils ihre Geschichte(n) präsentieren, aus allen möglichen Richtungen kommend. Und wenn es nur viele genug sind, so dass eine statistisch relevante Verteilung gegeben ist, dann kommen wir der Sache näher. Ich würde mich sehr darüber freuen und mir möglichst viel davon anhören wollen, so es meine Zeit erlaubt, und kann andere nur dazu ermutigen, das Internet auf der Suche nach Objektivität so zu nutzen: Haut gern eure eigenen Podcasts zum Thema raus! Die Rückspultaste hat ihren Beitrag vor neun Tagen geleistet, jetzt seid ihr dran.

      Schönes Restwochenende Dir,
      Sebastian

  14. Christian H.

    Vielen Dank für das sehr interessante Thema.

    Bei uns in Ostfriesland gab es an der gesamten Schule nur 5-10 Katholiken und der Religionsunterricht für uns wurde von der Haushälterin des Pastors gehalten. Ich kann mich nur positiv an die Zeit erinnern, wir mussten nichts auswendig lernen und alle bekamen gute Noten. Es gab keinen extra Kommunionsunterricht, dafür wurden die Schulstunden verwendet.
    Zur Kommunion bin ich noch bereitwillig gegangen und die Eltern sind auch jedes Wochenende mit uns Kindern zum Gottesdienst. Nachdem meine Frage was denn nun richtig wäre – Evolutionstheorie oder Schöpfungsgeschichte – nicht zufriedenstellend beantwortet wurde, habe ich die Firmung abgelehnt und bin ab dann auch nicht mehr regelmäßig in die Kirche. Interessanterweise sind die Eltern dann auch nicht mehr dahin.
    Üblicherweise waren die Predigten staubtrocken und langweilig, für einige Zeit hatten wir aber als Vertretung einen deutlich jüngeren Militärpastor und der konnte Themen deutlich interessanter und zeitgemäßer für junge Leute herüberbringen.
    Inzwischen habe ich vor 2 Jahren meinen Kirchenaustritt erklärt, die gesparte Kirchensteuer spende ich seitdem in Projekte und an Personen die mir am Herzen liegen. Es war ein langer Reifungsprozess, aber letztlich habe ich meinen Glauben an eine Reformfähigkeit der katholischen Kirche verloren. Trotzdem mag ich aber gerne druckvolle Orgelmusik – wie z. B. der Soundtrack von Interstellar.

  15. Sebastian

    Ein Hallo & Danke an alle hier Kommentierenden!

    Ich freue mich sehr über das Feedback vor allem zu dieser Folge und bin ein Stückweit erleichtert, nachdem ich im Vorfeld Schrotkugeln ausschwitzte.

    Ende März kommt wieder was ganz anderes – wir sind schon dran, das erste Drittel ist im Kasten.

    Schön, dass es euch gibt!
    Sebastian

  16. Kay

    Vielen Dank für eure neue Folge und eure Offenheit.

    Gegen HPV sollte man sich übrigens auch als Junge impfen lassen um die Mädchen zu schützen.

    Ich bin katholisch erzogen worden, nicht total streng, allerdings war es eine Zeit lang meiner Mutter schon wichtig regelmäßig zum Gottesdienst zu gehen.

    Mit der Beichte ging es mir wie Simon. Es gab nichts zu beichten, als ich auf einem Wochenende zur Firmvorbereitung zur Beichte musste. So war ich nur einmal dort.

    Ich merkte im Firmunterricht, den meine Mutter für eine Gruppe gab, dass für mich der Glaube nicht mehr passt. Um meine Mutter nicht bloß zu stellen habe ich mich trotzdem firmen lassen und bin nach meiner Ausbildung aus der Kirche ausgetreten.

    In meiner Jugend war ich acht Jahre bei den nicht christlichen Pfadfindern und fand es am Anfang auch ganz toll. Zum Ende hat es nicht mehr gepasst.

    Auch bei uns musste das Osterwissen gerade noch einmal aufgefrischt werden. Danke für den Denkanstoß.

  17. Kiki

    Hallo Sebastian,
    Schön dass Du Deinen Weg gefunden hast.
    Danke und Kudos fürs Nackichmachen.
    Liebe Grüße aus der Oberrahmede!

  18. Ingo

    Vielen Dank für die Folge zur „Gretchenfrage“, die mal wieder äußerst gelungen ist.

    Ihr habt mich zum Nachdenken gebracht, warum ich eigentlich ein Atheist geworden bin. Ich hatte auch Religionsunterricht, ich war im Kindergottesdient und habe mich konfirmieren lassen. Nach meiner Konfirmation bzw. auf dem Höhepunkt meiner Jugend war ich in einer Phase, in der ich Religion (und auch religiöse Menschen) ziemlich aggressiv abgelehnt habe. In meiner Erinnerung habe ich mir dafür verschiedene Begründungen zurechtgelegt. Erfahrungen, die ich gemacht habe und die mich endgültig zum Atheisten gemacht haben. Weil ich ja voll rebellisch und eigenständig denkend bin und so (war ich nicht wirklich, weder noch). Meine Eltern waren/sind zwar irgendwie religiös, sind „gläubig, aber ohne Kirche“. Etwas, das wohl auf viele Menschen zutrifft. Aber sie haben mir nie irgendwas aufgedrängt, auch die Konfirmation war meine Entscheidung. Gegen sie habe ich nicht rebelliert. Der Pastor unserer Gemeinde war für einen evangelischen Pastor relativ „streng“, hat einiges eingefordert (mindestens 50 vom Pastor höchstpersönlich abgestempelte Kirchenbesuche in 2 Jahren als „Vorkonfirmand“ und „Konfirmand“), sehr regelmäßige Teilnahme am Konfirmandenunterricht mit wöchentlich auswendig gelernten Psalmen etc. (auch 2 Jahre lang) und wer irgendeinen Zweifel an seinem Glauben äußert, fliegt sofort raus und wird nicht konfirmiert. Ich war recht diszipliniert, sammelte (wie es meine Art war/ist) nicht 50, sondern bis zu 51 Kirchenstempel und war stets im Konfirmandenunterricht dabei. Wer nie einen Konfirmandenunterricht verpasste, bekam zur Konfirmation ein Ebenholz-Kreuz aus Afrika als besonderes Geschenk der Gemeinde. In der Woche vor der Konfirmation sollte es noch zwei Proben geben, die Choreo für die Show sollte sitzen. Wegen meines Nachhilfeunterrichts verpasste ich die zweite Probe und so bekam ich trotz vorheriger Absprache und guter Begründung kein Kreuz, weil ich habe ja einmal gefehlt. Mein Zorn und meine Enttäuschung waren groß, zumal ich auch gleichzeitig in der Schule erhebliche Probleme hatte und mir dieses kleine Erfolgserlebnis und die Anerkennung sicher gut getan hätten. Aber hat mich das wirklich endgültig von der Religion abgebracht, wie ich später manchmal behauptet habe?

    Der Religionsunterricht in der Schule hat mich auch wenig begeistert. Zunächst hatten wir einen Religionslehrer, der auch gleichzeitig Bio-Lehrer war. Als ihn ein Schüler (mit großartigem Humor) beim Thema „Schöpfung“ mit voller Absicht provokant, aber ohne eine Miene zu verziehen fragte, ob wir nicht eigentlich vom Affen abstammen, rastete dieser aus: „Ich stamme nicht vom Affen ab!!!“. Aber auch das war es nicht, was mich zum Religions-Hasser gemacht hat. Auch nicht eine andere Religionslehrerin, die 45 Minuten Unterrichtszeit für Beschimpfungen der jungen Generation und auch ganz speziell der vor ihr sitzenden Schülerinnen und Schüler nutzte. Besonders Mädchen hatten es nicht leicht, wenn sie in dem Alter schon einen Freund hatten oder sich gar die Haare färbten. Ihr taugt alle nichts, früher war die Jugend und waren die Menschen im Allgemeinen besser. Ja, da war ich wirklich sauer, denn ob die Menschen z.B. zwischen 1933 und 1945 wirklich besser waren, wagte ich zu bezweifeln. Aber zu dem Zeitpunkt war ich schon anti-religiös.

    Nicht viel später milderte sich meine Einstellung deutlich ab hin zu einer Toleranz gegenüber Religionen und religiösen Menschen (schließlich war ich Star Trek Fan). Mit Religionen habe ich aber noch heute nicht viel am Hut.

    Warum bin ich aber „ungläubig“? Ich bin stets Team Wissenschaft, ohne mich aber wirklich in der Tiefe damit auszukennen. Ich bin auch ganz bestimmt kein besonders rationaler Mensch. Ihr habt mir geholfen bei der Frage, was eigentlich dazu geführt hat, warum ich „so“ denke. Auch ich „fühle“ es nicht und habe es auch nie gefühlt. Für mich waren es immer nur Geschichten, die ich hin und wieder mal interessant fand, mehr aber auch nicht. Es ist einfach nicht Teil meiner Persönlichkeit.

    Ich komme jetzt in ein Alter, in dem die Eltern allmählich gebrechlich werden und in dem man sich zunehmend mit der Sterblichkeit, auch mit der eigenen, auseinandersetzen muss. Ein Leben nach dem Tod, in dem sich eines Tages alle wiedersehen, wäre ein großer Trost. Aber ich möchte mich auch nicht selbst belügen: Wir haben unsere Zeit – und die ist irgendwann abgelaufen. Wir sind für eine kurze Zeit Teil des Kosmos und sind als Menschen „a way for the universe to know itself“, wie es Carl Sagan formulierte. Und das ist auch eine tröstliche, sogar fast schon religiöse Vorstellung.

  19. Kleiner Bruder

    Vielen Dank, Sebastian (und Gäste), dass ihr eure – auch nicht immer schönen – Erfahrungen mit uns geteilt habt. Ihr habt meinen Eindruck bestätigt, dass die meisten Menschen nicht deswegen in einer Religion sind, weil sie gläubig wären, sondern wegen der Gemeinschaft, oder einfach „weil man das so macht“.

    Ich persönlich halte mich auch für einen eher rationalen Menschen, und genau das ist der Grund, warum ich an die Bibel glaube. In unseren weltweiten Gemeinden wird auf das organisierte und das persönliche Studium der Bibel grosser Wert gelegt, von biblischer Geschichte bis zur Anwendbarkeit im Alltag. Viele Fragen, die ihr erwähnt habt, dieses „Warum“, werden auch in der Bibel gestellt, aber auch beantwortet. Meine Mutter hat uns Kindern schon früh etwas mit auf den Weg gegeben: „Ich kann euch viel erzählen. Glaubt es nicht, weil ich es sage, prüft es selber nach.“ Noch heute versuche ich, jedes Fitzelchen zu Naturwissenschaft und zur Vor- und Frühgeschichte zu fassen zu kriegen. Und alles passt zusammen, wie ein großes Puzzle.

    Ich gebe zu, ich habe auch bei uns vereinzelt Dinge erlebt, die nicht gut gelaufen sind. Das zeigt mir nur, dass wir alle noch einen weiten Weg vor uns haben. An der Grundlage ändert das nichts.

    Vielleicht ein Beispiel: sogenannte „christliche“ Feste wie Ostern oder Weihnachten kommen so in der Bibel nicht vor. Sie sind aus vorchristlichen Frühlings- und Sonnenwendfesten übernommen worden. .Also werden sie bei uns nicht gefeiert, auch wenn das manchmal Konflikte mit sich bringt mit Verwandten oder in der Schule. Da gibt es dann auch keine „persönlichen Wahrheiten“, das wäre sowas wie „alternative Fakten“. Es gibt eine christliche Freiheit, aber die endet naturgemäß da, wo sie dem Nächsten schaden würde.

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