Folge herunterladen (MP3, 183 MB)
50 Jahre Derrick feierte das ZDF exakt fünf Tage vor Erscheinen dieser Folge. Doch halt, beim Haussender wurde gar nicht gefeiert, denn die Serie ist aufgrund der geheimgehaltenen und 2013 doch ans Licht gekommenen Vergangenheit ihres Hauptdarstellers Horst Tappert umstritten. Doch abermals halt, umstritten kann aber nur etwas sein, worüber man tatsächlich spricht. Doch das ZDF ist stumm – also bricht die Rückspultaste das peinliche Schweigen in dieser Sendung für all diejenigen, die Derrick genau wie Simon & Sebastian schon immer fürchterlich fanden.
Die Geschichte des Ermittlers Derrick – 24 lange Jahre mit 281 Folgen, genau so ewiglich wie Helmut Kohls Kanzlerschaft oder Karol Wojtyłas „Stint“ als Papst – ist eine Geschichte voller Mißverständnisse, Besonderheiten und Langeweile. Anfangs war Oberinspektor Stefan ein ungewohnt barsch-dynamischer Racheengel, dessen Ermittlungsstil dem deutschen Publikum gar nicht so recht gefiel. Später dann entsprach er in bleierner Lethargie sämtlichen Klischees und Parodien, die bis heute am besten in den Köpfen verfingen.
Über beide Derricks ist zu sprechen, ihre Beziehung zur Geschichte der Bundesrepublik im 20. Jahrhundert, aber auch über die finsteren Lebenskapitel des Serienschöpfers Herbert Reinecker und seines Hauptdarstellers – und über den komplizierten Umgang mit alledem. Zum goldenen Jubiläum holt die Rückspultaste den Derrick aus dem Mief – und spricht über den Mief im Derrick.
Gregor
Vielen Dank für dieses reflektierte und anregende Gespräch <3
elim
hi gregor,
du sprichst mir aus dem herzen. mir geht es gerade ganz genau so. früher wenig interesse für derrick. fand das eher öd, halt nichts amerikanisches.
aber heute binge ich das greade durch und denk ich sitz in einer zeitmaschine. das triggert auch gefühle von früher.
was es so authentisch macht sind die originalschauplätze. bis auf die wachstube ist nix studio. wir sehen echte wohnungen und schauplätze mit echten accesoirs und möbelstücken und so war das früher, ich kanns bezeugen.
beste grüße natürlich an sebastian und simon, das habt ihr wieder klasse gemacht.
lg elim
Dede a.k.a. Onkel Alfred
Erstens:
Irgendwo schnappe ich auf, daß Derrick ganz interessant sei. Schließlich stehe bald das Jubiläum an und überhaupt dieser Tappert. Hat bis zuletzt seine Vergangenheit verschwiegen.
Möglich, daß der Name Derrick in einer TaD Folge fiel. Ich kann das aber nicht mit Bestimmtheit sagen.
Zweitens:
Zufällig wird mir eine Folge Derrick in meine YouTube Timeline gespült. Ich schaue mir die Episode „Stiftungsfest“ an, mir war sowieso langweilig, und bin erstaunt.
Derrick. Das habe ich in den 70ern als Kind nicht gucken dürfen und später als Jugendlicher in den 80ern hat es mich nicht interessiert. Außerdem hat mich das Genre Krimi nie abgeholt.
Das war so ein Omadingens, piefig und öde. Hier aber bin ich überrascht. So hatte ich diesen Derrick nicht in Erinnerung, der hier so gar nicht in dieses oft persiflierte Klischee paßt, das seit Jahrzehnten fest in meinem Hirn klebt.
Ich schaue mir ab da alle anderen Episoden der ersten Staffeln an und merke, daß es gar nicht schlecht ist, was ich da sehe. Ich rede auch mit meiner Mutter darüber und die empfiehlt mir „Das Halstuch“. Ich merke später, daß es sich hierbei nicht um eine Derrickfolge handelt, sondern sie wollte mir wahrscheinlich damit sagen, daß Tappert darin schon eine Rolle hatte.
So weit, so gut.
Drittens:
Mittlerweile weiß ich, daß Horst Tapperts Vergangenheit als SS-Offizier Jahre nach seinem Tod erst enthüllt wurde. Das ging damals leider an mir vorüber wie Tafelspitz, dem ich auch nichts abgewinnen vermag. Es hinterläßt aber einen doofen Beigeschmack. Allerdings pünktlich zum Jubiläum bekomme ich den Artikel in der Jüdischen Allgemeinen zum Lesen und bin nicht verärgert.
Immerhin bin ich nie ein Horst Tappert Fan gewesen und Derrick habe ich ja gerade erst für mich neu entdeckt. Ich ordne es so ein: Diese Zeitung schreibt was sie schreiben muß und hätte ich nicht zufällig diese alte Serie angefangen zu konsumieren, hätte ich diesen Artikel möglicherweise nie gelesen.
Trotzdem schreibe ich eine kleine Kolumne in meinen Facebook-Feed in dem ich bedaure, daß Horst Tappert diese NS-Vergangenheit hat. Allerdings habe die Serie Derrick und ihr Protagonist gerade in ihrer Frühphase so gar nichts nazihaftes an sich gehabt und außerdem habe sich Tappert zeitlebens nicht einmal ansatzweise irgendwie rechtsradikal geäußert. Jedenfalls ist mir nichts darüber bekannt.
Ein wenig ängstlich bin ich schon das zu posten. Aber niemand reagiert darauf und so lösche ich das nach 1 Woche wieder.
Viertens:
Ich schaue mir weiterhin in Schüben Derrick an. Teilweise binge ich bis zu 5 Folgen hintereinander und genieße es als eine Zeitreise sondergleichen, die Erinnerungen an meine Kindheit und Jugend hervorkitzelt, die lange vergraben waren und gar nichts mit Film und Fernsehen zu tun haben.
Das hat mitunter zur Folge, daß ich meine Mutter darauf anspreche, die erstaunt darüber ist, was ich so alles noch von Früher weiß. Ich entgegne, daß ich es eigentlich vergessen hatte aber mich wegen Derrick wieder erinnert habe. Was dergestalt verwunderlich ist, denn wie kann mich eine Fernsehfolge, die ich ja nachweislich nie gesehen habe, an etwas erinnern ? Meine Mutter hat dafür keine Erklärung und ich noch weniger.
In der Serie bin ich derweil im Produktionsjahr 1985/86 angekommen. Es ist zum ersten mal ein Tastentelefon zu sehen. Tschüß Wählscheibe.
Letztens:
Die neue Podcastfolge der Rückspultaste ist da.
Als hätte eine höhere Macht ihre Finger im Spiel bin ich natürlich sofort im Game, denn ich kann ja jetzt mitreden. Ich ertappe mich dabei wie ich ständig zustimmend nicken muß. Als spräche eine innere Stimme genau das aus, was seit Monaten in meinem Kopf umherspukt und als bekämen meine eigenen Gedanken jetzt auf eine magische Weise ein literarisches Gesicht. Wobei mich die Frage beschleicht ob das überhaupt je meine eigenen Gedanken waren.
Noch eine halbe Stunde bis zum Ende und ich bin jetzt schon der Meinung, daß das hier etwas großartiges ist, dessen Zeuge ich werde.
Potzblitz ! Das ist das Beste, was ich jemals von Euch gehört habe und das auch noch zu einem Thema, das mich vor ein paar Monaten überhaupt nicht gejuckt hat. Ich meine jetzt doch, daß es eine Folge TaD war, die mir diesen Floh ins Ohr gesetzt hat.
Ganz großen Applaus und Dank dafür, Sebastian und Simon.
Stef baura s
toller Kommentar. Danke fürs Mitnehmen auf Deine DerrickReise
Lars
Lieber Sebastian, lieber Simon,
was für eine fantastische Folge, vielen Dank! Ich bin ein paar Jahre jünger als ihr beiden und habe Derrick in den 90er Jahre nur ganz am Rande mitbekommen (auch seine letzte Folge). Erst im Schauspielstudium habe ich die ersten Folgen kennengelernt, die ein Dozent unserem Jahrgang gezeigt hat. Ich war sofort begeistert von der Qualität der Schauspieler*innen, den Drehbüchern und der filmischen Machart. Ich kann euch beiden nur zustimmen bezüglich der frühen Derrick-Phase (insbesondere die von euch angesprochenen Folgen wären mir auch sofort eingefallen).
Die späte Phase kenne ich weiterhin nur vom Hörensagen, denn schon die Veränderung weg vom Columbo-Konzept war für mich nicht mehr interessant. Vielen Dank für eure objektive Einordnung der Serie (und dem nationalsozialistischen Hintergrund in der Gesellschaft) in die bundesrepublikanische Geschichte (Kohl, Bonn etc.). Ich habe sie damals auch nur noch in ihren späten Jahren nach der Wende persönlich mitbekommen und durch meine Ostsozialisierung erst in den letzten Jahren intensivst “nachgeholt”.
Liebe Grüße, Lars
Christian Berger
Mir ist etwas zur Frage, ob es denn heute noch Wohlfühlfernsehen für eher konservative Leute gibt, und ich glaube die Bayrische „Seifenoper“ „Dahoam is Dahoam“ fällt darunter. Ich schau die ja selten wenn ich bei meinen Eltern bin. Das ist so eine Art „Gassenhauer“ und meine Eltern schauen das quasi religiös.
Inhaltlich finde ich die teilweise wirklich spannend, da sie von einer konservativen Sichtweise durchaus progressive Themen anspricht. Klar, das ist eine Seifenoper, davon darf man nicht zu viel erwarten, es gab aber mal das Thema Homosexualität. Eine weibliche Bewohnerin des Ortes ist mit ihrer Freundin zusammengezogen. Der Pfarrer des Ortes findet das furchtbar und bietet sogar, aus voller Überzeugung, die Vermittlung von „Therapien“ gegen Homosexualität an. Daraufhin wendet sich das Paar von ihm ab. Das erzeugt im Pfarrer einen Konflikt der dazu führt, dass er Rat sucht und die Homosexualität auch als Gottes Wille begreifen, und somit akzeptieren kann.
In einer anderen Geschichte bietet der Pfarrer, gegen die Widerstände des Staates, Kirchenasyl für Geflüchtete an.
Christian Berger
Ich persönlich sehe ja auch sehr selten „Reaction Videos“. Das Subgenre davon das ich ein wenig interessant finde ist das, in dem Werk und Rezipient aus unterschiedlichen Kulturkreisen stammen. Sowas wie wenn jemand aus den USA plötzlich was von „Bernd dem Brot“ oder in „Meister Eder und sein Pumuckl“ den Pumuckl schon zum Frühstück Bier trinken sieht. Das hat für mich so einen „Fisch out of Water“ Reiz so wie in der Tschechoslowakischen Serie „Die Besucher“ oder StarTrek IV. Aber das meiste tue ich mir da nicht an.
Ich denke der große Unterschied zwischen dem was ihr macht, und so „Reaction Videos“ ist, dass es zwar beides eine Meinungsäußerung ist, aber eure Meinungen um Größenordnungen fundierter sind.
Ich mach jetzt hier mal eine steile These, aber ich bin der Ansicht, dass das was ihr macht in gewisser Weise ähnlich ist zu „SchleFaZ“. In beiden Werken geht es um Meinungen, aber auch mit der Idee dahinter, die Ursprungswerke irgendwie interessant darzustellen, so dass sie neu rezipiert werden. Das macht ihr für mich mit Deep Space Nine, eine Serie zu der ich damals keinen Zugang fand, und das macht SchleFaZ mit Filmen wie „Hentai Kamen“ (ein Film den sonst niemand in Deutschland gesehen hätte, weil das eigentlich quasi Japanisches Autorenkino ist). Im Prinzip ähnlich wie bei der Rückspultaste hat man am Anfang und dazwischen kleine Spielszenen zur Auflockerung. Gerne jubelt eine de beiden Figuren den Film erst mal hoch, um dann enttäuscht zu werden, oder man bietet ein alternatives Ende an.
Ohrwell
Vielen Dank für diesen interessanten Beitrag, der mich jetzt angefixt hat, mir ein paar Folgen des ganz frühen ‚Derrick‘ anzugucken. Es ist wie mit dem frühen Columbo: da waren auch noch mehr ernstere Töne zu hören. Interessant wäre es vermutlich auch gewesen, etwas über die Rezeptionsgeschichte des Derrick-Zeichentrickfilms oder der Nachfolge-Serie ‚Siska‘ zu erfahren – oder dass der berühmte Satz ‚Harry, hol schon mal den Wagen‘ nie wirklich vorkam – was oft bei Filmzitaten vorkommt. Aber das hätte vermutlich den zeitlichen Rahmen endgültig gesprengt.
Reinecker hat ja auch u.a. Drehbücher für ‚Polizeinspektion 1‘ geschrieben, was ja an sich keine knallharte Krimiserie war – aber ich kenne zumindest 2 Folgen, die aus seiner Feder stammen und die waren nicht mehr diese heiter-unbeschwerten Schnurren, die man sonst erwartet hätte.
Sebastian
Was den berüchtigten Satz angeht, haben wir vorher ausgemacht, dass wir ihn nicht nennen wollen – und auch nicht die längst totgerittene Info bringen wollen, dass er nie fiel. Denn das tun sie alle – wir sind aber nicht „alle“.
Christian Berger
Mal wieder wunderbare Podcastfolge. Ich mag es wenn so was meine Meinung ändert… im Prinzip sogar so wie sich eure Ansichten zu Derrick geändert haben.
Stef baura s
hallo Sebastian,
vielen Dank für dieses tolle Thema, dass Du gemeinsam mit Simon so facettenreich aufgearbeitet hast.
Ich bin mit dem Derrick ab ca. 1977 – 82 aufgewachsen, der fretägliche Krimi war auch bei uns zuhause Ritual. Von “ der Alte“ kenn ich übrigens nur die Lowitz-Variante, Schimpf war so viel später, da habe ich freitags schon lange keine deutschen Krimis mehr geschaut.
Dass sich Derrick bis 98 halten konnte, kann ich mir nur mit Älterwerden der Gesellschaft erklären und deren Wunsch, dass sich nix ändert, was gerade das ZDF vortrefflich bedient.
Ihr habt mich aber neugierig gemacht, und ich werde mir mal ein paar der alten Folgen anschauen.
Zur Cancellation der Serie möchte ich sagen, ich folge zwar der Argumentation von Sebastian, man hätte drüber sprechen, ohne Zweifel das hätte man. Zur Person Tappert, Waffen-SS war freiwillig, da wurde auch nicht jeder genommen. Für mich persönlich ist es klar, dass er als Teil der Kompanie auch Teil der Kriegsverbrechen war, und er hätte als Kriegsverbrecher veruteilt werden müssen. Sein feiges Verstecken verhinderte den Prozess.
Bei Reinecker seh ich das etwas anders, er war als Journalist vermutlich nicht direkt an den Kriegsverbrechen beteiligt, sondern damals in erster Linie Berichterstatter, vermutlich ähnlich wie von Buchheim.
Zum Thema Aufarbeitung des dritten Reiches Täter/Opfer möchte ich den Podcast „Gestern ist Jetzt“ empfehlen, in dem 2 Journalistinnen sich auf die Suche nach Spuren ihrer Großväter machen, der eine Täter, der andere als SPD-Mitglied Opfer.
Es beschreibt, wie facettenreich unser Umgang mit der Vergangenheit, privat, politisch, gesellschaftlich. Ich bin zufällig drauf gestoßen, als ich nach Hintergründen zu Reitern während der NaziHerrschaft recherchierte (was soll ich sagen, Abgründe tun sich da auf, dagegen ist die deutsche Fußball-Landschaft Vorreiter in Sachen Aufarbeitung.)
Don
Simon, wenn Dir „Der Alte“ in der Rolf-Schimpf-Version gefallen hat, dann bin ich sicher, dass Du auch vom „Kommissar“ begeistert sein wirst. Denn die beiden sind, wie ich finde, sehr ähnlich angelegt. (Anders als z.B. bei Siegfried Lowitz, dessen „Alter“ deutlich rauhbeiniger, manchmal fast schon schimanskihaft war.)
Wenn man sich Krimis anschauen will, die kein bisschen formelhaft sind, dann kann ich die Murot-„Tatorte“ empfehlen, die häufig sehr meta und artifiziell sind. Dort ist man immer wieder bereit, „einfach mal was auszuprobieren“, was nicht jedes Mal auch reüssiert, aber doch erstaunlich oft.
Übrigens spielte Wolfgang Kieling auch im „Kriminalmuseum“ mal einen, der verdächtigt wird, ein Mädchen angegriffen zu haben. Der Ermittler wurde darin dargestellt vom „Kommissar“ Erik Ode.
https://www.youtube.com/watch?v=Mve2nzL_p0U
https://www.youtube.com/watch?v=h4AgWMEKUC0
Privatsekretär
An den Murot Tatorten scheiden sich die Geister.
Sie stechen dadurch hervor, dass sich die Autoren immer etwas Ungewöhnliches einfallen lassen. Da ist Murot in einer Zeitschleife gefangen oder er trifft auf seinen Doppelgänger. Die jüngste Folge führt uns ins Jahr 1944, wo sein alter Ego es mit einem strammen Nazi zu tun bekommt, der in der Jetztzeit ein gesuchter Kriegsverbrecher ist.
Ich denke, das ist das Phänomen, das auch Simon und Sebastian beschrieben haben.
Manche Zuschauer haben damals das klassische „Whodunit“ erwartet und waren irritiert und verärgert, weil gleich zu Anfang der Täter bekannt war. Daran scheint sich nichts geändert zu haben.
Ich freue mich auf jeden Murot-Tatort, was aber nicht heißt, dass ich ich jedem experimentellen Format das Wort rede. Was ich regelrecht hasse, sind diese Impro-Folgen, bei denen sich vor allem die Odenthal-Tatorte hervor getan haben. Dann wurde das Konzept von den Münsteranern übernommen, wobei vermutlich nur im Drehbuch stand, dass eine wichtige Figur am Ende stirbt.
Der Unterschied: Bei Murot ist davon auszugehen, dass sich kluge Leute ein paar Gedanken gemacht haben. Bei den Impro Tatorten hat man auf diese Klugheit komplett verzichtet und lässt die Darsteller spontan drauflos labern.
Den Fans des klassischen „Whodunit“ wird beides nicht gefallen.
Privatsekretär
In bester TaD bzw. Zauberlaterne Manier unterzieht ihr fünf „Derrick“ Folgen einer prägnanten Analyse.
Natürlich kenne ich die erste Folge („Waldweg“) und die letzte Folge („Das Abschiedsgeschenk“). Auch das „Stiftungsfest“ mit Siegfried Lowitz sagt mir was, Ebenso „Hoffmanns Höllenfahrt“. Die „eiskalte Nummer“ aus den frühen Neunzigern muss ich ebenfalls gesehen haben, da ich unter einem Youtube Video einen Kommentar von mir vorgefunden habe.
Reinecker ist als Drehbuchautor ein Fall für sich.
Da er, wie von euch erwähnt, als Dauerschreiber sehr unter Zeitdruck stand, sind bei den Plots leider auch viele ärgerliche Ausfälle dabei. Was mich an den späteren Folgen stört, ist sein Hang zum Philosophieren und Moralisieren. Das wirkt auf mich wie ein Verwandter, der mich auf einer Familienfeier zutextet und mir die Welt erklären. möchte. Dennoch gibt es auch im Spätwerk von „Derrick“ durchaus ein paar Perlen.
Mir fällt da etwa die Episode „ Ein merkwürdiger Tag auf dem Lande“ aus dem Jahr 1989 ein (mit einem großen Staraufgebot) oder auch „Mordecho“ von 1996, wo mehrere Zeitebenen raffiniert miteinander verknüpft sind. Insbesondere ist Reinecker ein Meister der Exposition. Er braucht nur wenige Szenen, um uns Zuschauer ins Bild zu setzen. Ein prägnantes Beispiel ist etwa die Folge „Ein sehr trauriger Vorgang“ von 1993.
Euer Vergleich der Figur Derrick mit einem Racheengel hat mich an einen TV-Film erinnert, den ich in meiner Jugend gesehen habe. Da ist Tappert als Erzengel Gabriel unterwegs mit dem Auftrag, ggfs. die Menschheit zu vernichten. Als er in einem Jazz-Lokal eine Band hört, ist er so begeistert von der Musik, dass er mit seiner Posaune spontan einsteigt ….
Am Ende eures Podcasts sprecht ihr recht ernste und schwere Themen an. Aber auch das gehört angesichts der Vorgeschichte von Reinecker und Tappert natürlich mit ins Bild. Ich persönlich halte von dieser „Cancel Culture“ gar nichts. Wo kommen wir hin, wenn wir bestimmte Personen aus der Geschichte auslöschen, als hätten sie nie existiert. Ich muss da an Werner Höfer denken. Seit meiner Kindheit war der mit seinem „Internationalen Frühschoppen“ Bestandteil der Sonntagsroutine. Seitdem bringe ich den Geschmack von Schweinsbraten mit den whiskygeschwängerten Stimmen seiner sieben Journalisten aus fünf Ländern in Verbindung.
Laut wikipedia hat Höfer (Jahrgang 1913) die Sendung 35 Jahre lang moderiert, von 1952 bis 1987. Dann wurde er abgesägt, nachdem jemand einen alten Text ausgegraben hat, den Höfer in der Nazizeit verfasst hatte. An die Stelle des Frühschoppens trat in der Woche darauf der „Presseclub“, bei dem mit dem damaligen Umweltminister Klaus Töpfer auch ein Politiker zu Gast war. Das riecht nach Schiebung. Nicht fein.
Sebastian
Wobei ich den Begriff „cancel culture“ problematisch finde – und das kommt hoffentlich auch im Podcast heraus – weil er sehr oft als Kampfbegriff verwendet wird, der Empörung erzeugen, bündeln und zielgerichtet politisch instrumentalisieren soll: „die da oben/links wollen euch was wegnehmen, wehrt euch“. Der Begriff ist eine Parole, die oft per „einfacher“, getriggerter Emotion eine sachbezogene Debatte abwürgen bzw. zu eigenen Zwecken lenken soll – also genau die Art von ausführlichem und differenzierten Diskurs unterwandern, den wir im Verlauf unseres Derrick-Podcasts fordern.
Zur Causa Höfer: Nach Wiederausgraben Höfers Artikels aus der NS-Zeit hatte sich dieser in Abwiegelungen und Unwahrheiten verstrickt – sinngemäß: „das habe ich nicht geschrieben, zumindest hab ich es nicht alleine geschrieben, das war nicht gegen Kreiten gerichtet.“ Nur konnte ihm bald darauf aufgrund von ebenfalls wiederentdeckter Korrespondenz das Gegenteil nachgewiesen werden. Und wenn einem von Deutschlands bekanntesten Journalisten – ein Beruf, zu dessen zentralen Aufgaben auch die Wahrheitsfindung gehört – nachgewiesen wird, dass er eben Wahrheitsbeugung im eigenen, niederen Interesse betreibt, dann ist er in seinem Job womöglich untragbar, da kann es noch so schön nach Schweinsbraten riechen. Hätte Höfer sofort klare Verantwortung übernommen, statt sich herauslavieren zu versuchen, wäre die Sachlage anders gewesen. Als ich vor zwei Jahren über mehrere Wochen hinweg diverse Tagespresse von 1987 recherchierte, kam ich zu dem Schluss: Die Auseinandersetzung mit Höfer geschah damals sehr ausführlich und differenziert, ohne dass das Debattenniveau eskalierte, ohne dass sie von von Parolen jeglicher Richtung überlagert wurde. Im Prinzip genau dieses konstruktive „Labern-Labern-Labern“, das Simon und ich uns in dieser Podcast-Folge wünschen, insbesondere für heute.
Privatsekretär
Da hast du mir einiges an Detailwissen voraus, lieber Sebastian.
Dass Höfer versucht hat, sich herauszureden, hatte ich nicht auf dem Schirm.
Trotzdem kann mir keiner erzählen, dass 32 Jahre lang im Dunkeln lag, wie der Mann in der NS-Zeit drauf war. Bemerkenswert finde ich auch, dass der Artikel just zu einem Zeitpunkt aufgetaucht ist, als Höfers Format offenbar ersetzt werden sollte.
Der „Presseclub“ stand ja schon in den Startlöchern.
Können wir uns darauf einigen, dass sich sowohl Höfer wie auch die Redaktion nicht korrekt verhalten haben?
Sebastian
Über eine mögliche länger vorbereitete Planung des Presseclubs lässt sich nur spekulieren, dafür ist die Sachlage zu dünn. Aber gut, nun mal „for the sake of argument“ theoretisch angenommen, die Sachlage wäre handfest und man hätte Höfer vorsätzlich abgesägt – dann würde man also mediale/arbeitsplatzbezogene Ränkespiele damit vergleichen, dass durch Propaganda dazu beigetragen wurde, dass ein unschuldiger Mensch ans Schafott kam. Zwischen diesen beiden Dingen – zum einen schlechter Stil, zum anderen Beihilfe zum Mord – liegen für mich Welten und nein, ich wäre überhaupt gar nicht einverstanden damit, beides gleichermaßen unter „nicht korrekt“ einzuordnen und so die NS-Verbrechen zu bagatellisieren.
Privatsekretär
Als Werner Höfer in der jungen BRD seine journalistische Karriere fortgesetzt hat, wurden zahlreiche Altnazis in Politik und Gesellschaft wieder aktiv. Das war auch bekannt und weitgehend geduldet. Ihr sprecht den Fall Kurt Georg Kiesinger an, der es mit seiner nachweislich braunen Vorgeschichte bis in das Amt des Bundeskanzlers geschafft hat . Neben bekannten Namen wie Globke oder Filbinger gab es auch in den unteren Chargen etliche von der Sorte, die mehr oder weniger schuldig geworden sind. Auch in der Unterhaltungsbranche gab es etliche Gesichter, die vor 1945 eine fragwürdige Gesinnung hatten. Aber hat man jemals einen Heinz Rühmann ausgebremst oder einen Hardcore-Nazi wie Martin Jente? Nicht dass ich wüsste!
Sebastian, es geht mir nicht um das, was Höfer im Dritten Reich fabriziert hat. Ich denke, da haben sich viele Deutsche nicht mit Ruhm bekleckert. Was mich stört, ist, dass hier Höfers Vergangenheit benutzt wurde, als es opportun war. Soweit ich weiß, ist er im Rahmen seiner journalistischen Tätigkeit nach 45 nicht durch reaktionäre Äußerungen negativ aufgefallen. Falls du da jedoch andere Informationen hast, lerne ich gern dazu.
Nach meinem Verständnis (Schweinsbraten hin oder her) hat er mit seinem „Frühschoppen“ im Gegenteil ein Stück Weltoffenheit in die bundesdeutschen Wohnzimmer gebracht. Das Nachfolgeformat „Presseclub“ war dann anders konzipiert …
Ja, es mag sein, das Höfer das Zeug zum Wendehals hatte.
Was du recherchiert hast, spricht ja für diese These.
Und trotzdem …
Sebastian
Wenn man sich einmal an so etwas beteiligt hat, muss man damit leben, dass es einen einholen kann, jedoch nicht muss. Bloß weil es für Heinz Rühmann ohne Konsequenzen blieb, bedeutet nicht, dass die Konsequenzen bei Höfer falsch waren.
Um ein harmloseres Beispiel heranzuziehen: Zu schnelles Autofahren ist immer grundsätzlich falsch – nicht erst dann, wenn man geblitzt wird. Und wer geblitzt wird, braucht nicht mit dem Finger auf andere zu zeigen – „der war aber auch zu schnell unterwegs, warum nur ich, buhuu“.
Privatsekretär
Okay … you win. 🙂
Stef baura s
Ich schreibe noch einen zweiten Kommentar zu Euren Fragen:
gerne ein Podcast zum Thema Bill Cosby. Für mich damals eine Wohlfühl-Serie, zumindest in den ersten Staffeln. So einen Papap hätte man gerne gehabt.
Seine Verbrechen haben mich so abgestoßen, dass ich mich quasi persönlich verletzt fühle, dass ich die Serie geguckt habe…
Höre ich Euren Podcast aus Nostalgie? Nein, weil es von Anfang ein Potpurri an Themen war, und diese immer informativ aufgearbeitet waren, und somit deutlich über „weißte noch“ hinausgehen.
Jede Eurer Folgen hat natürlich auch nostalgische Momente, aber mir dient sie ganz oft zur Aufarbeitung meines eigenen Lebens. Die Folgen, die mir absolut gar nichts geben, wie Computerspiele oder das zu Spencer (nie gesehen) spiele ich allerdings nur an, und höre sie nicht zu Ende.
Dass die Religionsfolge Einbruch bei den Hörerzahlen hat, verstehe ich nicht, hat nicht jeder irgendeinen Bezug zu Religion, und sei es nur, dass er damit nix am Hut hat.
Zu reactionVideos: ich gestehe, das ist eine guilty pleasure von mir. Tatsächlich gibt es da ne Menge Schrott auf Youtube, aber auch Leute, die mir inzwischen ans Herz gewachsen sind und bei denen ich von „ehrlichen reactions“ ausgehe. habe 2 jungen Frauen, die ich regelmäßig schaue. Ich gucke allerdings nur die Filme, die ich von früher kenne, und genau aus dem von Euch genannten Grund, weil ich sehen will, ob sie Spaß dran haben. Wenn es mir nicht gut geht, ist das einfach beruhigender content. Nebenbei ist das immer amerikanischer Content, und es ist lustig, die Filme im OriginalTon zu hören, ohne sie komplett im OriginalTon gucken zu müssen.
Ich schaue auch Musik reactions, da allerdings nur solche, die die Musik dann auch besprechen. Hervorherben kann ich hier „virgin rock“, eine klassische Harfenistin, die nullkommamull Ahnung von Rockmusik hatte. Die hat mit ihrem Angetrauten ein Programm erarbeitet, und fräst sich seit 2 Jahren durch die gesamte Rockhistorie, hat sogar angefangen, Gitarre und Schlagzeug zu spielen. Absolut faszinierender deep dive, incl. Noten-Einblendung, selbst auf der Harfe oder Klavier nachspielen undundund.
u.a. hat sie 50 ausgewählte QueenTitel besprochen, und ich darf sagen, dass sie mit dem, was sie aus der Musik der Band rauszieht, mich, als Queenfan seit 77, schon einige Male zum Weinen gebracht hat.
Genug gefaselt,
bis zur nächsten Rückspultaste,
Stefanie
Don
Oh ja, „Virgin Rock“ ist einfach großartig. Ich habe ihre Videos zu „Pink Floyd“-Alben gesehen und was sie da alles zu den Tracks interpretiert und herausarbeitet, ist wirklich bemerkenswert, manchmal geradezu „mindblowing“!
stef baura s
ach, das freut mich jetzt, dass noch jemand anders den account von ihr kennt. Danke für das Feedback, Don.
Lil Fek'lhr
Ich zitiere Sebastian: „Schweigen ist scheiße“ – und da gebe ich dir sooo Recht. Schweigen zieht sich durch Familien und Generationen und man muss versuchen es zu durchbrechen, das kann schmerzhaft und heilsam zugleich sein. Es ist sehr schade, dass das ZDF seine Haltung zur Serie und zu Tappert nicht öffentlich aufarbeitet und einordnet. Damit wird der Diskurs aus der Hand gegeben. Gut, dass ihr euch mit eurer Folge die Zeit für eine differenzierte Betrachtung nehmt und zeigt, dass man sich diesem komplexen Thema nur nähern kann, wenn man einen vielschichtigen Blick darauf wirft und sowohl die Person Tappert als auch die Serie im Kontext ihrer Zeit betrachtet. Erst durch eine solche Auseinandersetzung entsteht eine nicht mehr zu ignorierende Betrachtungsebene, die einen Blick ermöglicht, mit dem man solche „belasteten“ Werke schauen und wer will, auch genießen kann.
Im Laufe eurer Folge sagt ihr, dass die Serie unter Verschluss gehalten wurde. Den Eindruck kann ich nicht teilen. Wie Hunderte von Sendungen, die abgesetzt wurden, ist diese einfach nicht mehr linear. Natürlich wird der Skandal um Tappert der Hauptgrund sein. Aber gleichzeitig hat das ZDF einen eigenen Youtube-Kanal für seine Krimis eingerichtet, auf dem heute bis zu 200 Folgen von Derrick jederzeit abrufbar sind. Eine Ehre, die nicht jeder Serie zuteil wird. Von dem viel zitierten Giftschrank oder einer hohen Zugangshürde kann keine Rede sein. Die erste Folge „Waldewg“ hatte auf diesem Kanal aufgerundet 1.000.000 Zugriffe.
Eure Sendung hat auch dazu geführt, dass ich mich noch einmal in das Thema vertieft habe und mir einige Positionen im Netz angeschaut habe. Eine breite Front sieht die Sendung jetzt als großes Opfer der Cancel Culture. Gecancelt sieht für mich allerdings anders aus, jedoch bleibt das große Schweigen und das ist bitter.
RealKT_Elwood
Habe Derrick auch in die B-Kategorie des „Omma Fernsehens“ einsortiert.. so kurz vor Traumschiff und Musikantenstadl.
Falsch! Wie sich rausstellt. Nach eurem ersten Podcast teil habe ich durch die ersten paar Folgen geschaut..also nicht alle ganz.. alle so ein bisschen.
Derrick ballert sich durch München, durch Striptease Lokale und Mädcheninternate.
Keine Spur vom beigen Ermittler der in der Geschwindigkeit eines Gletschers durch die Wohnzimmer und Jagdhütten der Obersten Mittelschicht gleitet und Witwen, wenn auch nicht mit Manneskraft, dann doch mit Beständigkeit tröstet.
Finde auch eure Podcast Unterteilung sehr gelungen.. denn mit einer frischen Erinnerung an Tappert-Gate interpretiere ich die Rohheit der Verbrechen in den ersten Folgen und die Diskussion von Schuld die immer folgt, wenn man einer Versuchung erliegt völlig anders.
Es ist nicht auszuschließen, dass grade in den schablonenhaften ersten Geschichten sich die Täter doch ersatzweise für Autor..und Hauptdarsteller für Schuld verantworten.
Vielleicht sogar, weil der eigene Erfahrungshorizont in prägenden Jahren von einem Soldatischen Alltag .. und kriegshandlungen dominiert war.
Ob nun bewusst, unbewusst.. oder gar als perfides als Whitewashing des eigenen Charakters (Schauen sie her, der Derrick hat liberale Prinzipien und kann gut und böse zu unterscheiden!… Sein Autor weiß auch was richtig ist!)
Auf jedenfall ist es falsch „Derrick“ zu canclen. Figur und Schauspieler wurden in den Lebensjahren 11-22 vom Nationalsozialismus geprägt – in der Serie hängt es nicht raus, auch Tappert schwieg.
So taugt das Werk vielleicht oberflächlich nicht als ausdrückliches, explizites und offensives Beispiel von Vergangenheitsbewältigung… aber doch vielleicht als Zeugnis eines pragmatischen Neuanfangs. (und wie viele Alte Serien..einfach als Zeitzeugnis)
Zwar betrifft das eher die ausgehenden 40er und 50er Jahre.. aber Wie hätten Täter ein produktivers Leben unter Menschen führen können, die gerne an „Ehrenhafte Soldaten“ glauben wollten.. und von dem „Zeug mit den Juden“ „Garnichts gewusst haben“ ?
Eine Zeit in der Nazi-Generäle Fiktionen über ihr Eigenes Wirken verfassten – all ihre Kollegen praktischerweise tot oder vermisst.
Alles sehr schwere Fragen.
Deutschlands Schuldfrage steht heute immernoch im Raum. Mit jedem Jahr wird sie formelhafter verhandelt.
Zeitzeugen sterben, und das was Zeitzeugen beeinflusst und geschaffen haben..geht auch langsam in die Geschichte ein.
Wäre Zeit daraus zu lernen wie man eine inklusive Vergangenheitsbewältigung mit Zukunftsausblick meistern könnte.
Dominik Hug
Lieber Sebastian, lieber Simon,
Danke für diese grossartige Folge. Ich habe Derrick damals äusserst sporadisch mit meinen Eltern sehen müssen/können/dürfen und entsprechend war diese Folge auch irgendwie ein Rücksturz in meine Jugend. Wunderbar recherchiert, wunderbar produziert, einfach mal wieder ein grosses DANKE!
Dominik
sternburg
Die Rückspultaste droped in meinen Podcast-Player ja nun wirklich öfter die Podcast-Aussendung, die ich nicht erwartet, aber verdient habe. Diese Empfindung besitze ich sicher nicht exklusiv – das ist ja im Grunde auch irgendwie das Konzept hier.
Aber diese Folge hat mich ernsthaft kalt erwischt. Und wie niedlich, dass es euch anscheinend genauso gegangen ist. Auf einer Liste der Dinge, von denen mich absolut überhaupt keine historische Aufarbeitung interessiert, da wäre Derrick schon echt weit vorne dabei gewesen. Und wer, wer fucking wer, würde das anders sehen. Aber here we are.
Ich kann an dieser Stelle nur vermuten: Es ist komplett und zu 100 % scheißegal, welchem Thema sich der feine Hörr Göttling zu widmen bemüßigt fühlt. Es wird Stoff für eine spannende Podcast-Folge ergeben, es wird knapp vier Stunden Sendung tragen, und es werden diverse für mich überraschende Erkenntnisse bei rausspringen. Neben einfach ein paar Stunden launigem und interessantem Gespräch.
Faszinierend. Nachher ist es noch so, dass man mit ausreichendem Rechercheaufwand aus exakt jedem zeitgenössischen Phänomen spannende Dinge rauspressen kann. Nachher ist es noch so, dass bei der Anwendung banaler Grundprinzipien sauberen journalistischen Handwerks am Ende Journalismus rausfällt. Wer hätte damit gerechnet. Oder dies anderswo vermisst. Wie dem auch sei: Ich empfand meine paar Groschen an freiwilliger Zahlung für TaD (was nach meinem Verständnis irgendwie auch ins erweiterte Göttling Universe einzahlt) selten so effizient angelegt.
Um dieser Schleimspur an Kommentar noch ein wenig sowas wie Feedback anzuflanschen:
„Ich habe damals die paar Minuten, in denen ich meiner Eltern wegen diese unfassbar miese Scheiße namens Derrick ertragen musste, die habe ich unkritisch, unfair und unmittelbar auf andere deutsche TV-Krimiserien wie der Der Alte, Die Zwei etc übertragen und dieselben niemals auch nur eine Sekunde geguckt, aber trotzdem unfehlbar gewusst, dass ich sie nicht mag, ja verachte.“
Jetzt mehr sinngemäß zitiert, aber meine Herren, hier fühle ich mich gesehen.
Viele Jahre später hier und da mit gewisser Irritation zur Kenntnis genommen, dass dieser oder jener dieser Serien von ansonsten geistig ziemlich zurechnungsfähigen Personen nostalgische Liebe zuteil wird. Trotzdem immer gewusst, dass dem ja eigentlich nicht so sein kann. Und erst – ich gebe es ungern zu, aber es ist anscheinend die Wahrheit – mit hören dieser Podcast-Folge kapiert, was da damals in mir eigentlich passiert ist.
Schon auch ein bisschen erschütternd. Man erinnert sich ja schließlich daran, wie wahnsinnig klug und sicher man sich damals in seinen negativen Geschmacksentscheidungen fühlte. Stellt sich raus: War halt Quatsch. Unangenehm.
Christian Berger
Ich habe kürzlich mal eine kommentierte Fassung von „Der Gorilla von Soho“ gesehen, ein Film in dem Horst Tappert die Hauptrolle spielt. Auf seine Vergangenheit wurde nicht eingegangen, das hätte auch nicht in den Tenor der Veranstaltung gepasst.
Dafür wurde aber auf Hubert von Meyernick eingegangen. Der Spielt in dem Film eine Figur für die „Arschloch“ noch zu wohlwollend ist. Die Figur sieht Frauen nur als Objekte an mit denen sie beliebig umgehen kann. Der Schauspieler hingegen, so wurde erklärt, war hingegen offen homosexuell und hat wohl persönlich Juden während des 2. Weltkrieges Unterschlupf gewährt.
Ich finde das auch ein Aspekt der Trennung „Künstler“ und „Werk“ ist. Manchmal ist das Werk Mist aber der Künstler eine großartige Person.
Jan
Natürlich ist die Rückspultaste ein Nostalgie-Podcast. Das heißt aber nicht, dass er sich nur auf das Gefällige, Schöne, Unverfängliche konzentrieren muss. Niemand hat behauptet, dass Nostalgie immer genauso funktioniert. Die Vergangenheit war ja auch nicht immer nur eitel Sonnenschein, auch wenn das immer wieder behauptet wird. Ach, was waren die 1980er schön, solange niemand die „Mutual Assured Destruction“ erwähnt.
Mit dieser Folge habt ihr (einmal mehr) bewiesen, dass die Taste des Nostalgie-Podcast ist, der ein bis zehn Schritte weitergeht. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass mich irgendetwas an DERRICK interessieren könnte, bislang habe ich nicht eine Folge gesehen und kenne nur den Zeichentrickfilm. Und jetzt erwische ich mich beim suchen nach physischen Medien der ersten Staffel. Heidewitzka! Eine als schnarchig verschriene Krimiserie, an der sich die Traumata des 20. Jahrhunderts diksutieren lassen. Ich bin wirklich hellauf begeistert von dieser Folge, die dicke Bretter bohrt, ohne dass der Bohrer steckenbleibt oder zu heiß läuft. Danke für eine extrem fruchtbare Diskussion und den erneuten Beweis, dass die Vergangenheit und das reden über sie so viel mehr ist als ein Mario Barth’sches „Kennste, kennste, kennste?!“
Noch etwas zum Thema Otfried Preußler: eigentlich ist mit dem Satz, dass Preußler ein Beispiel dafür ist, wie man als junger Mensch verführt werden kann, um dass ein Leben lang an der Schuld und dem Trauma sich abzuarbeiten (zu müssen) alles gesagt, aber ich möchte noch ergänzen, dass ich mal im Zuge des Diskussion über das ersetzten von diskriminierenden Wörtern in Kinderbüchern (z.B. Pippi Langstrumpf) über ihn gelesen habe, dass er ausdrücklich dafür war und dies auch seinem Verlag und seinen Erben erlaubt hat.
Er habe zur Beschreibung von Menschen immer den neutralsten, bewusst nicht herabsetzenden Begriff gewählt und er sei sich im Klaren gewesen, dass dies einem Wandel unterzogen ist und was 1950 noch „okay“ war, es fünfzig, sechzig, siebzig Jahre später nicht mehr sein muss. Er wollte seine Bücher frei von Diskrimierungen halten, so dass sie von möglichst vielen Menschen goutiert werden können.
Klingt für mich nicht wie jemand, der auch im hohen Alter noch den „Lehren“ seiner Jugend gedankenlos hinterherhing. Also wäre ich sehr für eine Preußler-Folge (Cosby ist aber auch ein lohnendes Thema, schon allein, weil ich ihn als Kind und Jugendlicher auch immer gern gesehen habe … why not both?).
Kyr
„Der Kommissar“ und „Derrick“ spielen im gleichen Universum: Ohne jetzt da Recherche betrieben zu haben, ich erinnere eine Kommissar-Folge in der Harry Klein seinen Ausstand gibt. Alle (ich glaube außer Kommissar Keller) stehen da und saufen Sekt, denn der Harry geht ja nun „zu dem Neuen“.
Die Nerds wissen bestimmt welche Folge; ich will lediglich darauf hinaus, dass das auch als ein gemeinsamen „Universum“ (in diesem Falle: München) geplant/gedacht war. Witzig.
Don
„Der Alte“ spielt auch im gleichen Universum, denn er und seine Kollegen sind bei der Abschiedsveranstaltung für Derrick dabei.